Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der dynamischen Anwendung der der Vergütungstarifverträge im Einzelhandel in NRW. Auslegung der Verwendung des Begriffs "Tariflohn" und von Anrechnungsklauseln hinsichtlich "übertariflicher Vergütungsbestandteile" im Arbeitsvertrag
Leitsatz (amtlich)
Die Verwendung des Begriffes "Tariflohn" im Arbeitsvertrag sowie die Verwendung von Anrechnungsklauseln für übertarifliche Vergütungsbestandteile lassen die Auslegung zu, dass eine dynamische Anwendung der einschlägigen Vergütungstarifverträge vereinbart ist. Jedenfalls kommt eine solche Auslegung über § 305 c BGB zur Anwendung (wie 5 AZR 2/12 gegen 4 AZR 224/10).
Normenkette
BGB § 305c
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 06.11.2014; Aktenzeichen 11 Ca 4126/14) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 06.11.2014 - Az: 11 Ca4126/14 - im Zinsausspruch dahin abgeändert, dass Zinsen aus dem Betrag von 239,75 € erst ab 01.01.2014 geschuldet sind.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Gegenstandswert 1.810,44 €.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob in ihrem Arbeitsverhältnis die Vergütungstarifverträge für den Einzelhandel NRW dynamisch anzuwenden sind, sowie um hieraus resultierende Vergütungsansprüche, die die Beklagte nicht erfüllt hat.
Die Beklagte betreibt ein Einzelhandelskaufhaus. Sie war zu keinem Zeitpunkt Mitglied des Arbeitgeberverbandes. Die Vergütungstarifverträge im Einzelhandel NRW (Gehaltstarifvertrag, Lohntarifvertrag) waren bis zum 31.03.2000 allgemeinverbindlich. Der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel NRW war bis zum 25.07.2003 allgemein verbindlich. Der Manteltarifvertrag sah eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung vor. Bei der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet. Die Beklagte hat in allen der zweiten Kammer des LAG Köln vorliegenden Parallelverfahren den gleichen Formulararbeitsvertrag angewandt, unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch die Vergütungstarifverträge und der Manteltarifvertrag, nur der Manteltarifvertrag oder keiner der Tarifverträge mehr allgemein verbindlich waren.
Die Beklagte hat auch nach Außerkrafttreten der Allgemeinverbindlichkeit die Vergütungserhöhungen aus den Vergütungstarifverträgen des Einzelhandels NRW vollständig an die Arbeitnehmer weitergegeben. Sie hat dies erst bei der Tariferhöhung (3%), die für den Monat August 2013 rückwirkend im Dezember 2013 in Kraft getreten war, unterlassen. Zum1. Januar 2014 erhöhte die Beklagte die Vergütung ihrer Arbeitnehmer um 2 %. Die weitere tarifvertragliche Vergütungserhöhung zum 01.05.2014 um weitere 2,1 % gab die Beklagte ebenfalls nicht weiter.
Die klagende Partei trat zum 15.11.2002 in das Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Sie übte zuletzt eine Teilzeitbeschäftigung mit 130/163 Monatsstunden aus und ist in Vergütungsgruppe L II b eingruppiert. Zwischenzeitlich hatten die Vertragsparteien die Eingruppierung mit Wirkung zum 01.11.2005 geändert und die klagende Partei in Tarifgruppe G1, 6. Bj. eingruppiert. Die übrigen Bestandteile des Arbeitsvertrages wurden dabei als unverändert bezeichnet. Wann die klagende Partei wieder im Lohntarifvertrag eingruppiert wurde, ist nicht mitgeteilt. Mit Schreiben vom 23.01.2014 wurde der klagenden Partei von Herrn C mitgeteilt, sie erhalte rückwirkend ab 01.08.2013 eine Zulage in Höhe von 47,85 Euro brutto, was der Tariflohnerhöhung entsprochen hätte. Mit Schreiben vom 19.02.2014 wurde diese Zusage widerrufen.
Die klagende Partei stützt ihre Forderung auf den Arbeitsvertrag. Dort finden sich auf der ersten Seite folgende Erklärungen:
Tarifliche Einstufung: L II b
Vergütung: |
Tarifentgelt |
1.364,60 EUR |
|
Gesamtentgelt |
1.586,00 EUR |
In den hieran angefügten Allgemeinen Vertragsbedingen ist weiterhin folgendes vereinbart:
"2. Vergütung
Die arbeitsvertraglich vorgesehene Eingruppierung des Mitarbeiters erfolgt vorbehaltlich einer späteren Überprüfung. Sollte sich hierbei eine fehlerhafte Eingruppierung herausstellen, erklärt sich der Mitarbeiter damit einverstanden, dass mit Wirkung ab dem auf die Feststellung folgenden Monats eine Neugruppierung herbeigeführt wird. Über-/Unterzahlungen werden mit der nächsten Vergütungsabrechnung verrechnet, wobei auf die sozialen Belange des Mitarbeiters Rücksicht zu nehmen ist und ggf. Überzahlungen auf mehrere Monate zu verteilen sind.
....
Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden.
.....
13. Schlussbestimmung: Ergänzend gelten die gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen, ebenso wie die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen."
Die klagende Partei stützt sich für ihre Rechtsansicht der dynamischen Tarifgeltung auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.02.2013, 5 AZR 2/12. Danach darf ein du...