Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung. Tariflohnerhöhungen

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Arbeitsvertragsanpassung durch betriebliche Übung kann auch eine Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der jeweiligen Tarifentwicklung zum Inhalt haben.

 

Normenkette

Tarifverträge zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugebwerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 10.02.2009; Aktenzeichen 16 Ca 6842/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.10.2011; Aktenzeichen 5 AZR 359/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.02.2009 in Sachen 16 Ca 6842/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, jetzt und in Zukunft an den Kläger die jeweiligen Tariflohnerhöhungen nach Maßgabe der jeweiligen Tarifverträge zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland weiter zu geben.

Die Beklagte unterhält ein Unternehmen des Baugewerbes mit 45 Arbeitnehmern. Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist seit dem 01.08.1971 bei der Beklagten als Spezialbaufacharbeiter beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Die Parteien sind nicht Kraft Verbandsmitgliedschaft tarifgebunden. Insbesondere ist die Beklagte nicht Mitglied in einem einschlägigen Arbeitergeberverband.

Die Beklagte zahlt dem Kläger einen Stundenlohn, den sie in ihrem Lohnabrechnungen als „Tariflohn + freiwillige Zulage” bezeichnet. Zum 01.01.2006 führte die Beklagte entsprechend der damaligen Änderung des allgemeinverbindlichen Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) die Aufstockung der wöchentlichen Arbeitszeit von 39 auf 40 Stunden ein, und zwar – entsprechend den lohntariflichen Vereinbarungen – ohne direkten Lohnausgleich. Sie informierte ihre Belegschaft hierüber durch einen Aushang mit der Überschrift „Tarifänderungen ab 2006„, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 45 d. A.).

In einem weiteren Aushang mit der Überschrift „Winterbeschäftigungs-Umlage” informierte die Beklagte am 31.05.2006 ihre Belegschaft über eine entsprechende Neuregelung mit Wirkung zum 01.05.2006. Auch auf diesen Aushang wird Bezug genommen (Bl. 46 d. A.).

In der Tarifrunde 2007 vereinbarten die Tarifvertragsparteien eine Lohnerhöhung zum 01.04.2008 um 1,5 % und eine solche zum 01.09.2008 um weitere 1,6 %. Diese Lohnerhöhungen gab die Beklagte nicht an den Kläger und die übrige Belegschaft weiter. In dem vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien um entsprechende Vergütungsdifferenzen für die Monate April bis Juli 2008 sowie um die allgemeine Feststellung, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach dem jeweiligen Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu vergüten.

Die Parteien hatten zuvor bereits in dem Verfahren LAG Köln 9 Sa 1184/07 = BAG 10 AZR 281/08 um eine Verpflichtung der Beklagten gestritten, an den Kläger ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe des tariflich geregelten Teiles eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe zu zahlen. Die Beklagte hatte dem Kläger zunächst Jahr für Jahr ein solches Weihnachtsgeld gezahlt, später die Zahlung mehrere Jahre lang unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt erbracht und im Jahre 2006 schließlich die Zahlung ganz eingestellt. Auf das Urteil des BAG in dieser Sache vom 18.03.2009 (NZA 2009, 601 ff.) wird hingewiesen.

Der Kläger hat in vorliegender Sache die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund betrieblicher Übung an die Tariflöhne entsprechend der jeweiligen Tarifverträge zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gebunden. Wenn sie im Jahre 2006 die Vorteile einer tariflichen Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich für sich in Anspruch nehme, so müsse sie auch die in späteren Jahren vereinbarten Tariflohnerhöhungen an ihn weiter geben.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat April 2008 einen Differenzlohnanspruch in Höhe von 40,99 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 zu zahlen;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Mai 2008 einen Differenzlohnanspruch in Höhe von 34,80 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen;
  3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Juni 2008 einen Differenzlohnanspruch in Höhe von 44,07 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen;
  4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Juli 2008 einen Differenzlohnanspruch in Höhe von 46,34 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen;
  5. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger nach dem jeweiligen Tarifvertrag zur Regelung der Löh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge