Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung von „Ortskräften”. Mitbestimmung des Personalrats
Leitsatz (amtlich)
Die Ausnahme für Ortskräfte in Auslandsvertretungen der Bundesrepublik nach § 91 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG verstößt nicht gegen Art. 3 oder Art. 9 Abs. 3 GG und auch nicht als mittelbare Diskriminierung von Frauen gegen Art. 119 EGVertrag.
Normenkette
BPersVG §§ 91, 79; GG Art. 3; TVAng Ausland § 11
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 08.12.1994; Aktenzeichen 5 Ca 1733/94) |
Nachgehend
Tenor
1) Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 08.12.1994 – 5 Ca 1733/94 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2) Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerinnen (Lebensalter über 50) waren jeweils seit 1968, 1982 bzw. 1969 als sogenannte Ortskräfte im Sekretariat- bzw. Schreibdienst des Generalkonsulats Lilie tätig; auf die Arbeitsverhältnisse sind vereinbarungsgemäß die Bestimmungen des Tarifvertrages für Angestellte im Ausland (TVAngAusl) und der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) anzuwenden (Kopien der schriftlichen Arbeitsverträge Blatt 13, 28, 46 bis 48 d. A.).
Mit dem Drahterlaß vom 07.03.1994 (Ablichtung Blatt 11 ff. d. A.) ging bei dem Generalkonsulat die Mitteilung ein, daß der Bundesminister des Auswärtigen am 05.02.1994 entschieden habe, das Generalkonsulat Lille zum 30. November 1994 zu schließen. Die Schließung ist inzwischen tatsächlich erfolgt.
Mit Schreiben vom 24.05.1994 erklärte die Beklagte eine außerordentliche Kündigung der Arbeitsverhältnisse der Klägerinnen gemäß § 11 TVAngAusl zum 30.11.1994.
Die Klägerinnen haben mit den vorliegenden Klagen die Auffassung vertreten, ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nach dem genannten Tarifvertrag habe der Beklagten nicht zugestanden, weil tatsächlich noch Abwicklungsarbeiten im Dezember 1994 angefallen seien. Die Kündigung sei ferner deshalb unwirksam, weil die Personalvertretung, insbesondere der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Die Anhörungsfrist von drei Arbeitstagen nach § 79 Abs. 3 BPersVG sei nicht eingehalten, weil diese Frist erst nach dem Ausspruch der Kündigung am 26.05.1994 abgelaufen sei. Soweit gemäß § 91 BPersVG die Ortskräfte vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen seien, verstoße dies gegen Artikel 3 und Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes. Schließlich sei auch der Vertrauensfrau der Ortskräfte, nämlich der Klägerin F., unter Verstoß gegen § 91 Abs. 2 Satz 6 BPersVG vor der Beschlußfassung über die Kündigungen keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden.
Die Klägerinnen haben beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die jeweilige außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.05.1994 zum 30.11.1994 nicht aufgelöst wird, sondern darüberhinaus fortbesteht;
- die Beklagte zu verurteilen, die Klägerinnen über den 30.11.1994 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingung weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach § 11 TVAngAusl wegen Schließung des Generalkonsulats Lille lägen vor. Die Beteiligung der Personalvertretung sei ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte hat behauptet, die örtliche Personalrätin, Frau W., sei am 20.05.1994 durch Vorlage der beabsichtigten Kündigungsschreiben angehört worden und habe nicht schriftlich Stellung genommen. Sie sei überdies bereits am 22.04.1994 über die geplanten Kündigungen informiert gewesen, als der Personalrat Kenntnis von dem Drahterlaß vom 07.03.1994 erhalten habe. In der Folgezeit seien die Kündigungen mehrfach Thema von Gesprächen mit dem Personalrat gewesen. Die Anhörungsfrist nach § 79 Abs. 3 BPersVG habe nicht abgewartet werden müssen, weil die Personalrätin nach einem gemeinsamen Mittagessen am 24.05.1994 den Kündigungen zugestimmt habe. Die Vertrauensfrau der Ortskräfte sei bereits dadurch über den Grund und die Notwendigkeit der Kündigung unterrichtet gewesen, daß sie im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit Kenntnis von dem Drahterlaß vom 07.03.1994 erhalten habe.
Das Arbeitsgericht Bonn hat mit dem am 08.12.1994 verkündeten Urteil – 5 Ca 1733/94 – die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. festgestellt: Wegen der Schließung des Generalkonsulates zum 30.11.1994 seien die Kündigungen als außerordentliche Kündigungen gemäß § 711 TVAngAusl wirksam, die allenfalls im Dezember 1994 noch zu erledigenden Abwicklungsarbeiten stünden der Feststellung einer Betriebsstillegung nicht entgegen, es sei auch tatsächlich nur eine französische Bürokraft für diese Zeit weiterbeschäftigt worden. § 79 BPersVG sei auf die Klägerinnen als Ortskräfte gemäß § 91 Abs. 1 Nr. 1 BPersV nicht anzuwenden, letztgenannte Vorschrift sei auch nicht verfassungswidrig. Eine Ungleichbehandlung zwischen den deutschen entsandten Mitarbeitern und den deutschen Ortskräften einer Auslandsvertretung sei sachlich gerechtfertigt, weil dadurch Koll...