Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufhebungsvertrag. Rückkehrrecht, AGB-Kontrolle. Schuldrechtliche Vereinbarung. Unklarheitenregel. betriebsbedingte Kündigung. tariflich ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer. Rechtsmissbrauch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die in der Anlage zu Aufhebungsverträgen mit verschiedenen Arbeitnehmern in einer Vielzahl von Fällen gleichlautend getroffene Vereinbarung über ein bedingtes Rückkehrrecht der Arbeitnehmer zum bisherigen Arbeitgeber unterliegt der AGB-Kontrolle.

Dem steht nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber in einer dreiseitigen sog. Schuldrechtlichen Vereinbarung mit dem neuen Arbeitgeber und der zuständigen Gewerkschaft zur Einräumung eines solchen Rückkehrrechts verpflichtet hat, zumal wenn die Schuldrechtliche Vereinbarung ausdrücklich die einzelvertragliche Umsetzung dieser Verpflichtung vorsieht.

2. Die mit einem Arbeitnehmer, der aus tariflichen Gründen weder vom bisherigen, noch von künftigen Arbeitgeber ordentlich gekündigt werden kann, getroffene Vereinbarung, wonach ihm ein Rückkehrrecht zum bisherigen Arbeitgeber zusteht, wenn das Arbeitsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber „unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 ff. KSchG aus dringenden betrieblichen Gründe wirksam gekündigt wird”, lässt eine Vielzahl unterschiedlicher Auslegungen zu und erscheint daher unklar i.S.v. § 305 c Abs. 2 BGB.

3. Die Unklarheit der Klausel führt zur Anwendung der arbeitnehmerfreundlichsten Auslegungsvariante. Danach sind die Bedingungen für das Rückkehrrecht immer dann erfüllt, wenn sich der kündigende neue Arbeitgeber zur Rechtfertigung der Kündigung auf dringende betriebliche Gründe i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG beruft, wobei die Wirksamkeit der Kündigung auch aus §§ 7, 13 Abs. 1 S. 2 KSchG folgen kann.

4. Im Einzelfall kann sich die Berufung auf das vertragliche Rückkehrrecht auch als rechtsmissbräuchlich erweisen. Der Verstoß gegen Treu und Glauben muss jedoch im Verhalten des Arbeitnehmers selbst begründet sein. Dagegen ist es für das Rückkehrrecht des Arbeitnehmers unerheblich, ob sich der neue Arbeitgeber ggf. gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber treuwidrig verhält.

 

Normenkette

BGB §§ 174, 242, 305, 310, 311a, 626; KSchG §§ 1, 4, 7, 13, 17; ZPO § 894; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 05.11.2009; Aktenzeichen 3 Ca 2279/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.10.2011; Aktenzeichen 7 AZR 743/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 05.11.2009 in Sachen 3 Ca 2279/09 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, das Angebot des Klägers auf Abschluss eines Arbeitsvertrages rückwirkend zum 01.08.2009 als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit einer Aufgabenstellung der Vergütungsgruppe T6 gemäß § 10 des Entgelttarifvertrages und im Übrigen zu den Bedingungen der für die Beklagte geltenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung anzunehmen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger gegenüber der Beklagten als seiner ehemaligen Arbeitgeberin einen Wiedereinstellungsanspruch besitzt.

Der am 07.12.1958 geborene Kläger ist verheiratet und für ein Kind unterhaltsverpflichtet. Er trat am 01.09.1975 in die Dienste der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin. Nach Abschluss seiner Berufsausbildung als Nachrichtentechniker/Übertragungstechniker wurde er mit entsprechender Tätigkeit weiterbeschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für Angestellte der D Anwendung. Gemäß § 26 MTV tritt die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses ein, wenn dieses seit mindestens 15 Jahren besteht und der Arbeitnehmer das 40. Lebensjahr vollendet hat.

Im Jahre 1998 wies die staatliche Regulierungsbehörde die Beklagte aus wettbewerbsrechtlichen Gründen an, das neu gegründete Kabelfernsehen auszugliedern. Die Beklagte übertrug die entsprechenden Aktivitäten daraufhin auf eine neu gegründete Tochtergesellschaft, die K GmbH. Im Hinblick hierauf wechselte der Kläger auf Betreiben der Beklagten zur K GmbH und begründete mit dieser zum 01.10.1999 ein Arbeitsverhältnis. Zu diesem Zweck wurde der Kläger in dem zunächst fortbestehenden Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beurlaubt. In der Folgezeit wurde der Kläger im Zuge von Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb der Kabelgesellschaften bei der K GmbH & Co KG tätig. Der Kläger war zuletzt in Vergütungsgruppe T 6 Stufe 4 im Sinne von § 10 Entgeltrahmen-TV eingruppiert. Die tarifliche ordentliche Unkündbarkeit des Klägers galt auch für sein Arbeitsverhältnis mit den Kabelgesellschaften.

Am 01.06.2004 schlossen der Kläger und die Beklagte auf deren Initiative einen Auflösungsvertrag, mit welchem das zwischen den Parteien seinerzeit noch bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.09.2004 einvernehmlich beendet wurde, „um das bei der K GmbH & Co KG bestehende Arbeitsverhältnis fortzusetzen”. In § 2 (Regelungen zum Rüc...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?