Entscheidungsstichwort (Thema)

Versäumung der Frist zur Berufungseinlegung. Führen eines elektronischen Fristenkalenders

 

Leitsatz (amtlich)

Ein elektronischer Fristenkalender muss so geführt werden, dass sichergestellt ist, dass keine versehentlichen oder unzutreffenden Eintragungen oder Löschungen erfolgen, die später nicht mehr erkennbar sind.

 

Normenkette

ArbGG § 66 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 233, 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 06.12.2022; Aktenzeichen 16 Ca 3761/22)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 06.12.2022 - 16 Ca 3761/22 - wird - unter Zurückweisung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung - als unzulässig verworfen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind zu 27% vom Kläger und zu 73% von der Beklagten zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung sowie über Zahlungsansprüche hinsichtlich einer von der Beklagten vorgenommenen Gehaltserhöhung ("Hauserhöhung").

Der Kläger ist seit dem 01.07.2006 bei der Beklagten, zuletzt als sogenannter "Leiter Service-Center" beschäftigt. Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges und auf die Reparatur von Autoglas spezialisiertes Unternehmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern und deutschlandweit ca. 370 Werkstätten. Der Hauptsitz der Beklagten befindet sich in K.

Mit Schreiben vom 06.07.2022 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.01.2023 und bot ihm zugleich eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und Weiterbeschäftigung ab dem 01.02.2023 als "Service-Monteur mit Betriebsleiterfunktion" im Standort O an. Neben weiteren Änderungen sollte unter Bezugnahme auf einen am 14.02.2022 abgeschlossenen Interessenausglich für die Jahre 2022 bis 2025 auch die Teilnahme an der sogenannten Hauserhöhung, einer regelmäßig von der Beklagten gewährten Gehaltserhöhung, entfallen.

Der Kläger nahm das Angebot der Beklagten zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Bedingungen mit Schreiben vom 13.07.2022 unter Vorbehalt an.

Mit seiner vorliegenden Klage hat sich der Kläger gegen die Änderungskündigung vom 06.07.2022 gewandt und die Zahlung der ihm seit dem Juli 2022 nicht mehr gewährten Hauserhöhung begehrt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 06.07.2022, dem Kläger am 09.07.2022 zugegangen, rechtsunwirksam ist;
  2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.01.2023 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht;
  3. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Leiter Service Center zu beschäftigen;
  4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 769,80 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 192,45 brutto seit dem 01.08.2022, seit dem 01.09.2022, seit dem 01.10.2022 und seit dem 01.11.2022 zu zahlen;
  5. festzustellen, dass die mit Wirkung zum 01.07.2022 gewährte Hauserhöhung in Form der Erhöhung der monatlichen Grundgehälter von 5 % auf ihn anzuwenden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei auf Grund der im Interessenausgleich vom 14.02.2022 beschriebenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der beschlossenen Änderung der Organisationsstrukturen im Bereich Operations betriebsbedingt gerechtfertigt. Auch die im Interessenausgleich vom 14.02.2022 vereinbarte vorübergehende Herausnahme der - wie der Kläger - von der Reorganisationsmaßnahme betroffenen Mitarbeiter von der Hauserhöhung sei gerechtfertigt, da diese eine Gehaltssicherung erhielten.

Mit Urteil vom 06.12.2023 hat das Arbeitsgericht der Klage hinsichtlich des Änderungsschutzantrags, des Zahlungsantrags sowie des Feststellungsantrags zur Verpflichtung der Anwendung der Hauserhöhung stattgegeben und sie im Übrigen (Weiterbeschäftigungsantrag und allgemeiner Feststellungsantrag) abgewiesen.

Gegen das ihr am 15.05.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12.06.2023 Berufung eingelegt, die sie am 06.07.2023 begründet hat. Mit der Berufungsschrift vom 12.06.2023 hat sie zugleich im Hinblick auf die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie angeführt, nach Zustellung der Protokolle der Sitzung des Arbeitsgerichts am 08.12.2022, in dem fünf Parallelverfahren verhandelt worden seien, seien die korrekten Fristen durch die an diesem Tag zuständigen beiden Rechtsanwaltsfachangestellten gemäß dem angeordneten 4-Augen-Prinzip in die Fristenkalender eingetragen worden. Die Fristen würden in der Kanzlei parallel in einem elektronischen und einem Papierkalender erfasst. Nachdem am 08.05.2023 der Prozessbevollmächtigte der Beklagten festgestellt habe, dass das vollständig abgefasste Urteil noch nicht vorliege, habe er seine Assistentin angewiesen,...

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