Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverwalter. betriebsbedingte Kündigung. Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

Kündigt der Insolvenzverwalter betriebsbedingt, ohne dass im Kündigungszeitpunkt von einer endgültigen Stilllegungsabsicht ausgegangen werden kann, besteht keine aus §§ 125, 128 InsO folgende Vermutung (im Anschluss an LAG Köln, 19.3.2010 – 10 Sa 754/09; vgl. dazu auch BAG, 29.9.2005 – 8 AZR 647/04; 13.2.2008 – 2 AZR 543/06).

 

Normenkette

KSchG § 1 I; KSchG § 1 II; InsO §§ 125, 128; BGB § 613a I

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 18.06.2009; Aktenzeichen 7 Ca 4708/08)

 

Tenor

1) Die Berufungen des Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 18.06.2009 – 7 Ca 4708/08 – werden zurückgewiesen.

2) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Beklagte zu 1) 1/3 und die Beklagte zu 2) 2/3.

3) Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Beklagten zu 1. sowie über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte zu 2. im Wege des Betriebsübergangs übergegangen ist, die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung des Klägers als Geschäftsleiter der Filiale Aachen sowie Annahmeverzugslohnansprüche.

Der am 07.12.1954 geborene Kläger war seit dem 01.04.1977 bei der Schuldnerin, der Firma W beschäftigt. Laut Änderungsvertrag vom 25.03.2008 als „Regionalleiter”. Zuletzt war er als „Geschäftsleiter” oder „Bereichsleiter” und „Kommissarischer Filialverantwortlicher” für die Filiale in Aachen eingesetzt (vgl. dazu die persönlichen Angaben zum Kläger auf der Namensliste zum Interessenausgleich vom 16.10.2008 und das Zeugnis vom 31.01.2009).

Durch Beschluss des Amtsgerichts A vom 03.07.2008 wurde ein vorläufiges Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Beklagte zu 1. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Die Schuldnerin betrieb zum damaligen Zeitpunkt neben ihrer Hauptverwaltung noch 39 Filialen, in denen sie Bekleidung veräußerte. Sie beschäftigte insgesamt ca. 959 Mitarbeiter.

Am 17.09.2008 unterzeichneten der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin und der Beklagte zu 1. als vorläufiger Insolvenzverwalter ein mit „unternehmerische Entscheidung” überschriebenes Schreiben. Darin heißt es, dass am selben Tag zwischen der Geschäftsführung der Insolvenzschuldnerin und dem vorläufigen Insolvenzverwalter die unternehmerische Entscheidung getroffen worden sei, 16 besonders defizitäre Filialen bereits zum Ende September 2008 und den gesamten Betrieb bis spätestens zum 31.01.2009 dauerhaft stillzulegen und sämtlichen Mitarbeitern aus betriebsbedingten Gründen im Oktober 2008 zu kündigen.

Mit Beschluss vom 01.10.2008 hat das Amtsgericht A über das Vermögen der Firma W das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte zu 1. und der Gesamtbetriebsrat der Insolvenzschuldnerin schlossen am 01./02.10.2008 einen Sozialplan. Ca. 800 Mitarbeiter wechselten zum 01.10.2008 zu der gebildeten Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. Alle übrigen Mitarbeiter, einschließlich des Klägers wurden ab dem 01.10.2008 freigestellt. Am 16.10.2008 vereinbarte der Beklagte zu 1. mit dem Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich verbunden mit einer Namensliste mit den zu kündigenden Mitarbeitern, auf der sich auch der Name des Klägers befindet, zugeordnet dem Standort A mit der Tätigkeit als „Geschäftsleiter”. Der Beklagte zu 1. kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 21.10.2008 zum 31.01.2009.

Am 10.10.2008 wandte sich der damalige Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin mit einem Schreiben („Memo”) „an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter”, und wies auf Gespräche mit interessierten Investoren hin. In einer Pressemitteilung des Beklagten zu 1. von 03.11.2008 heißt es auszugsweise: „Modehaus W gerettet – Investor steigt ein Insolvenzverwalter Dr. F K kann mit dem Verkauf 23 Filialen und etwa 500 Arbeitsplätze sichern – Investor R R ist unter anderem mit der Techno-Lifstyle aus Willich bereits seit mehr als 15 Jahren im Textil- und Modemarkt tätig und international vertreten – Investor setzte sich im geordneten Bieterverfahren durch”. Im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf wurde unter dem AZ HRB 594453 am 14.10.2008 bekannt gemacht, dass im Unternehmen der R die Gesellschafterversammlung am 01.10.2008 eine Änderung des Gesellschaftsvertrages und damit der Firma beschlossen habe. Die neue Firma laute W (die Beklagte zu 2.), deren neuer Unternehmensgegenstand der Handel mit Waren aller Art und die Vermittlung von Dienstleistungen, insbesondere der Betrieb von Einzelhandelsgeschäften im Textilbereich einschließlich Lederwaren und Accessoires sei. Am 10.11.2008 sind in das Register Geschäftsanteile des Herrn R in Höhe von 25.000,00 bzw. 225.000,00 EUR sowie des Beklagten zu 1. als Insolvenzverwalter in Höhe von 250.000,00 EUR eingetragen worden. Die Beklagte zu 2. führt 23 der bisher von der Insolvenzschuldnerin betriebenen Filialen und deren ...

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