Entscheidungsstichwort (Thema)
betriebliche Altersversorgung. Altersgrenze. Europarecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Europarechtswidrigkeit der Altersgrenze (Vollendung des 30. Lebensjahres) in §§ 30 f, 1 b BetrAVG für die Begründung einer unverfallbaren Rentenanwartschaft.
Normenkette
BetrAVG §§ 30f, 1b
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 07.10.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1701/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 07.10.2010 – 3 Ca 1701/10 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Bestehen einer unverfallbaren Anwartschaft des Klägers auf Zahlung einer Betriebsrente gegenüber der Beklagten.
Der am 1982 geborene Kläger war vom 01.09.1999 bis zum 30.11.2009 bei der Beklagten beziehungsweise ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt.
Dem Kläger wurde am 01.09.1999 eine Zusage auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erteilt.
Im Unternehmen der Beklagten gilt der Tarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung nach dem Kapitalkontenplan bei der D. (…) vom 25.06.2007.
Mit Schreiben vom 15.12.2009 lehnte die Beklagte das Vorliegen der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen der vom Kläger geltend gemachten Betriebsrentenanwartschaft mit Schreiben vom 15.12.2009 ab.
Mit seiner Klage vom 09.07.2010, die am 13.07.2010 beim Arbeitsgericht in Bonn eingegangen ist, verfolgt der Kläger sein Begehren hinsichtlich der Feststellung einer unverfallbaren Anwartschaft auf Zahlung einer Betriebsrente nach dem Tarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung nach dem Kapitalkontenplan bei der D. gegenüber der Beklagten weiter.
Er hat die Rechtsansicht vertreten, zwar seien nach der deutschen Gesetzeslage in den §§ 1 b Abs. 1, 30 f BetrAVG die Unverfallbarkeitsvoraussetzungen für die von ihm begehrte Rentenanwartschaft nicht gegeben, da er bei Arbeitsvertragsende noch nicht das 30. Lebensjahr vollendet habe. In diesen gesetzlichen Regelungen liege aber ein Verstoß gegen die europäische Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie (2007/73/EG) vom 27.11.2000. Es liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters zu seinen Lasten vor. Diese führe auch zu einer Diskriminierung wegen des Geschlechts, weil Beschäftigte – besonders kindererziehende junge Frauen – vor dem 30. Lebensjahr aus dem Unternehmen ausschieden und damit eine Voraussetzung für die Unverfallbarkeit ihrer Anwartschaften nicht erfüllten. Dies gelte nicht nur für die Herabsenkung der Altersgrenze auf die Vollendung des 25. Lebensjahres in § 30 f Abs. 2 BetrAVG, sondern auch für die hier einschlägige Altersgrenze (Vollendung des 30. Lebensjahres) in § 30 f Abs. 1 letzte Alternative BetrAVG.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass eine unverfallbare Anwartschaft des Klägers auf Zahlung einer Betriebsrente nach dem Tarifvertrag über eine betriebliche Altersversorgung nach dem Kapitalkontenplan bei der D. (…) gegen die Beklagte besteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, die europäische Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie vom 27.11.2000 sei durch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland hinreichend umgesetzt worden. Aus § 10 Satz 4 Nr. 4 AGG folge die Zulässigkeit von Altersgrenzen im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung. Die Altersgrenzen seien durch einen legitimen Zweck, die Sicherung der Funktionsfähigkeit der betrieblichen Sozialsysteme, gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht Bonn hat durch Urteil vom 07.10.2010 die Klage als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe keine unverfallbare Anwartschaft nach § 30 f BetrAVG zu, da der Kläger bei Arbeitsvertragsende das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. § 30 f BetrAVG verstoße nicht gegen das Europarecht und den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Diese Vorschrift berücksichtige berechtigtermaßen, dass eine uneingeschränkte Unverfallbarkeit dazu führen könnte, dass Arbeitgeber sich veranlasst sehen könnten, keine betriebliche Altersversorgung mehr zu gewähren. Eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung sei aus § 30 f BetrAVG nicht herzuleiten. Es fehlten hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass überwiegend junge Frauen wegen Kindererziehung vorzeitig ausscheiden würden.
Gegen das ihm am 26.10.2010 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Bonn hat der Kläger am 15.11.2010 Berufung eingelegt und diese am 13.12.2010 beim Landesarbeitsgericht begründet.
Er verfolgt sein Klagebegehren weiter unter Hinweis auf die Europarechtswidrigkeit des § 30 f Abs. 1 BetrAVG. Zum einen liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters vor. Es seien auch hinreichende Anhaltspunkte für eine mittelbare Geschlechtsdiskriminierung aus der Begründung zu dem Gesetzentwurf vom 28.09.2007 der Bundesregierung (BT – Drucks. 16/6539) herzuleiten, die darauf verweis...