Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch einer Flugsicherheitskraft auf Vergütung während gesetzlicher Ruhezeiten
Leitsatz (redaktionell)
Ordnet ein Arbeitgeber Pausen ohne Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG an, so sind die Pausen unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges auch dann zu vergüten, wenn sie § 4 ArbZG entsprechen.
Normenkette
ArbZG § 4; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 615; LohnTV § 2.1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 28.11.2012; Aktenzeichen 3 Ca 5552/11) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.11.2012 - 3 Ca 5552/11 - wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der zweiten Instanz noch um Vergütung für sogenannte "Breakstunden" und um Sonn-, und Feiertagszuschläge für solche Breakstunden für die Zeit von Juli 2010 bis Oktober 2012. Der Kläger begehrt die Bezahlung der angeordneten Arbeitsunterbrechungen aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Die Parteien streiten darüber, ob die Arbeitsunterbrechungen Pausen im Sinne des § 4 Arbeitszeitgesetz sind, ob sie vom Arbeitgeber gesetzeskonform, insbesondere gemäß § 4 Arbeitszeitgesetz "vorab" angeordnet wurden, ob sie billigem Ermessen entsprechen (§ 106 GewO), und ob sie kollektivrechtlich wirksam (insbesondere einer Betriebsvereinbarung entsprechend und unter Wahrung des Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) angeordnet wurden.
Der Kläger ist seit dem 20.06.2006 als Flugsicherheitskraft auf dem Flughafen K tätig. Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst mit der Firma D GmbH & Co. KG begründet. Im Wege eines Betriebsübergangs ging es zum 01.09.2009 auf die Beklagte über.
In den vergangenen Jahren führten Arbeitnehmer der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin zahlreiche Rechtstreitigkeiten über Fragen der vertraglichen Arbeitszeit und über die hier streitigen sogenannten "Breakstunden". Beim Landesarbeitsgericht Köln waren über 250 Berufungen anhängig. Auch waren bereits mehrere Senate des Bundesarbeitsgerichts mit entsprechenden Verfahren befasst.
Am Flughafen K ist die Beklagte rund um die Uhr in drei Schichten tätig. Sie führt im Auftrag der Bundespolizei Sicherheitskontrollen durch. Die Zahl der zu den jeweiligen Tageszeiten eingesetzten Arbeitnehmer ist von den oft auch kurzfristig erfolgenden Anforderungen der Bundespolizei abhängig.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Ebenso gilt der Manteltarifvertrag für Sicherheitskräfte an Verkehrsflughäfen, der bundesweit abgeschlossen ist und ebenfalls allgemein verbindlich ist. Der seit dem 01.01.2006 gültige Manteltarifvertrag enthält in § 9 Ausschlussfristen. Danach erlöschen sämtliche gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beiderseits 3 Monate nach Fälligkeit, sofern sie nicht vorher unter Angabe der Gründe schriftlich geltend gemacht worden sind. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 3 Monaten nach der Ablehnung gerichtlich geltend gemacht wird. Ausnahmen bestehen für Schadensersatzansprüche, die auf vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Handlungen beruhen. In § 3 des Manteltarifvertrages sind Lohnzuschläge geregelt, unter anderem ein 50%-iger für Sonntagsarbeit zwischen 0:00 Uhr und 24:00 Uhr und ein 100%-iger für Arbeitsstunden, die an gesetzlichen Feiertagen geleistet werden (mit einigen Ausnahmen). Für die Zeit von 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr wird grundsätzlich ein 5%-prozentiger Zuschlag vom Stundengrundlohn für bestimmte Lohngruppen als Nachtzuschlag gezahlt.
Für den Zeitraum, aus dem im vorliegenden Fall die Forderungen resultieren, galten für das Jahr 2010 die auf einen Spruch einer Einigungsstelle zurückgehende "Betriebsvereinbarung Dienst- und Pausenregelung vom 11.03.2010" nach Maßgabe des arbeitsgerichtlichen Vergleichs vom 09.06.2010 in dem Verfahren 7 BV 67/10 sowie für die Jahre 2011 und 2012 die ebenfalls auf einen Spruch der Einigungsstelle zurückgehende "Betriebsvereinbarung Dienst- und Pausenregelung vom 31.01.2011".
Der vor dem Arbeitsgericht Köln am 09.06.2010 zwischen Betriebsrat und Beklagter in dem Verfahren 7 BV 67/10 geschlossene Vergleich lautet wie folgt:
"1. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 11.03.2010 unwirksam ist.
2. Die Beteiligten werden unverzüglich in Verhandlungen zum Abschluss einer neuen Betriebsvereinbarung zu diesem Regelungsgegenstand treten. ...
3. Für die Übergangszeit findet der Spruch vom 11.03.2010 mit Ausnahme der Nr. 3 (Pausenregelung) Anwendung. Für die Übergangszeit treffen die Beteiligten eine Pausenregelung wie folgt:
Die gesetzliche Pause hat in einem Zeitfenster mit Beginn der 3. Arbeitsstunde bis zum Abschluss der 7. Arbeitsstunde zu liegen. Der genaue Zeitpunkt der ...