Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags. Fortzuzahlendes Arbeitsentgelt nach § 7 AWbG NRW. Arbeitsentgelt nach § 7 AWbG NRW als Teil der Gesamtvergütung des letzten Beschäftigungsjahres i.S.d. Nr. 5.4 aäPTV
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen.
2. Bei Inanspruchnahme von Weiterbildungsurlaub nach dem AWbG NRW tritt das nach § 7 AWbG NRW i.V.m. § 2 EFZG fortzuzahlende Arbeitsentgelt an die Stelle des Entgelts, dass der Arbeitnehmer bzw. die arbeitnehmerähnliche Person ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte. Der Bildungsurlaub in Anspruch Nehmende soll das gleiche Entgelt erhalten als wenn er gearbeitet hätte (Lohnausfallprinzip).
3. Ausgehend von den Methoden der Tarifauslegung ergibt sich, dass Ziffer 5.4 aäPTV dahin auszulegen ist, dass von "erzielten Honoraren" zur Berechnung der "Gesamtvergütung des letzten Beschäftigungsjahres" auch "Arbeitsentgelt" nach § 7 AWbG NRW i.V.m. § 2 EFZG, das für die Zeit der Freistellung zur Arbeitnehmerweiterbildung gezahlt wurde, umfasst ist.
Normenkette
EFZG § 2; AWbG NRW § 7; AWbG NRW § 8
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 21.12.2021; Aktenzeichen 5 Ca 3739/21) |
Nachgehend
Tenor
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.12.2021 - 5 Ca 3739/21 - abgeändert und die Beklagte verurteilt, 982,35 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2021 an den Kläger zu zahlen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
- Die Revision wird zugelassen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Auslegung einer tariflichen Regelung zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs für arbeitnehmerähnliche Personen bei wesentlicher Einschränkung der Tätigkeit.
Die Beklagte ist verfasst als gemeinnützige Körperschaft des öffentlichen Rechts und veranstaltet drei nationale Rundfunkprogramme. In ihrer heutigen Form existiert sie seit 1994 aus einem Zusammenschluss des ehemaligen R-Rundfunk, des Deutschlandsender Kultur und des in K ansässigen Deutschlandfunks. Der Kläger ist seit 01.01.1987 bei der Beklagten als freier Mitarbeiter beschäftigt.
Zwischen den Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1 TVG u.a. folgende Tarifverträge Anwendung:
- Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche Personen im Deutschlandfunk vom 18.06.1978 in der Fassung vom 18.06.1982 mit den Änderungen zuletzt vom 10.02./16.03.2021 (im Folgenden aäPTV), der folgende Bestimmungen hat:
1. Geltungsbereich
1.1 Dieser Tarifvertrag gilt für arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne des § 12a TVG
1.1.1 für die zwischen ihnen und dem DLF durch Dienst- oder Werkverträge begründeten Rechtsverhältnisse,
1.1.2 für die sich aus der Wiederholung einzelner kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des Tarifvertrags für auf Produktionsdauer Beschäftigte im DLF ergebenden besonderen Dauerrechtsbeziehungen.
1.2 Er regelt mit seinen Durchführungs-Tarifverträgen Mindestbedingungen, die für diese Mitarbeiter wegen ihrer Dauerrechtsbeziehung zum DLF unter den Voraussetzungen der nachstehenden Abschnitte 2 und 3 gelten.
...
2. Wirtschaftliche Abhängigkeit
Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Mitarbeiters ist gegeben, wenn er entweder bei DLF oder bei ihm und anderen Rundfunkanstalten, die zur Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (BRD) gehören, mehr als die Hälfte seiner erwerbsmäßigen Gesamtentgelte (brutto und ohne gesonderte Unkostenerstattung) in den letzten sechs Monaten vor Geltendmachung eines Anspruchs aus diesem Tarifvertrag oder seinen Durchführungs-Tarifverträgen bezogen hat. Sofern ein Mitarbeiter künstlerische, schriftstellerische oder journalistischer Leistungen erbringt oder an der Erbringung, insbesondere der technischen Gestaltung solcher Leistungen, unmittelbar mitwirkt, genügt statt der Hälfte ein Drittel der genannten Entgelte.
3. Soziale Schutzbedürftigkeit
3.1 Die soziale Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters ist gegeben, wenn er in dem Erwerbszeitraum von sechs Monaten gemäß Abschnitt 2 mindestens an 42 Tagen (einschließlich Urlaubs- und Krankheitstage) für den DLF einschließlich Tochtergesellschaften oder auch für andere ARD-Anstalten aufgrund vertraglicher Verpflichtung tätig war.
5. Beginn und Dauer der Arbeitnehmerähnlichkeit
...
5.2.1 Beabsichtigt der DLF die Beendigung oder eine wesentliche Einschränkung der Tätigkeit des Mitarbei...