Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen genesungswidrigem Verhalten. Arbeitsunfähigkeit und Nebentätigkeit. Abmahnung vor Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer muss sich so verhalten, dass er bald wieder gesund wird und an seinen Arbeitsplatz zurückkehren kann. Verhält sich der Arbeitnehmer anders, ist grundsätzlich eine Abmahnung erforderlich.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 10.08.2012; Aktenzeichen 1 Ca 1510/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.08.2012 - 1 Ca 1510/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer fristlosen und einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung.
Der Kläger ist seit dem Januar 2002 bei der Beklagten als Versandhelfer beschäftigt. Ab dem 12.01.2012 war der Kläger arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 03.02.2012 wurde der Kläger an der rechten Leiste operiert.
Nachdem die Beklagte erfahren hatte, dass der Kläger von dem Zeugen A auf dem Gelände der Firma L in der Nacht vom 14.01.2012 auf den 15.01.2012 und vom 21.01.2012 auf den 22.01.2012 beim Heben von Papierpaketen und deren Abtransport mit einem PKW gesehen worden sei, hörte sie erst den Kläger am 30.01.2012 zum Sachverhalt und sodann den Betriebsrat mit Schreiben vom 03.02.2012 (Bl. 19 f. d. A.) zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweisen ordentlichen Tatkündigung bzw. Verdachtskündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit, jedenfalls genesungswidrigem Verhalten, an. Der Betriebsrat hat mit Schreiben vom 07.02.2012 (Bl. 21 d. A.) Bedenken gegen die Kündigung angemeldet. Mit Schreiben vom 08.02.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, mit Schreiben vom 13.02.2012 hilfsweise ordentlich zum 30.06.2012.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.08.2012 (Bl. 44 ff. d. A.) der Kündigungsschutzklage stattgegeben, die Beklagte zur Weiterbeschäftigung und zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die von der Beklagten geschilderte Nebentätigkeit des Klägers lasse nicht hinreichend den Schluss zu, der Kläger habe seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht. Die Kündigungen seien daher sowohl als Tat- wie auch als Verdachtskündigungen nicht gerechtfertigt. Ein Verstoß wegen genesungswidrigen Verhaltens scheide als Kündigungsgrund mangels vorheriger Abmahnung aus. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe, wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbringens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 28.08.2012 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut ordentlich gekündigt. Hinsichtlich dieser Kündigung ist ein weiteres Kündigungsschutzverfahren beim Arbeitsgericht Köln - 4 Ca 6884/12 - anhängig.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 07.09.2012 zugestellte Urteil am 17.09.2012 Berufung eingelegt und diese am 07.11.2012 begründet.
Die Beklagte erteilte dem Kläger unter dem 17.09.2012 ein Zwischenzeugnis. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht am 05.03.2013 haben die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf die Verpflichtung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses und den Weiterbeschäftigungsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Beklagte meint, der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei durch die beobachtete Nebentätigkeit des Klägers erschüttert. Es sei mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger seine Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht bzw. erschlichen habe, jedenfalls habe sich der Kläger genesungswidrig verhalten. Die unterlassene Anzeige der Nebentätigkeit nebst den weiteren Umständen des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit bzw. des genesungswidrigem Verhaltens rechtfertige auch ohne vorherige Abmahnung den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung. Jedenfalls für die ordentliche Kündigung wegen genesungswidrigen Verhaltens komme es nicht darauf an, ob der Heilungsprozess tatsächlich verzögert worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10. August 2012 - 1 Ca1510/12 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Er bestreitet weiterhin die von der Beklagten behauptete Nebentätigkeit. Er sei arbeitsunfähig gewesen. Neben dem Leistenbruch habe er in der Zeit vom 12.01.2012 bis 03.02.2013 an einer inkurrenten Infektion der oberen Luftwege gelitten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 07.11.2012, 11.01.2013, 15.02.2013, 22.02.2013, 09.08.2013, 09.10.2013 und 15.10.2013, die Sitzungsprotok...