Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung. ERA-Anpassungsfonds. Strukturkomponente. Einmalbetrag
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der weiteren Strukturkomponente, die nach § 4 lit. c TV ERA-Anpassungsfonds ab März 2006 als Einmalzahlung in Höhe von 2,79 % zu zahlen ist, wenn das neue Entgeltsystem ERA bis dahin nicht eingeführt worden ist, handelt es sich um die Gewährung einer Tariferhöhung, die bis zu diesem Zeitpunkt dem Anpassungsfonds zuzuführen war.
2. Die in einem Ergänzungstarifvertrag für alle Standorte der Cegelec AT GmbH & Co. KG vereinbarte Klausel, wonach die Strukturkomponente September 2003 sowie alle zukünftigen als Strukturkomponenten (im Volumen von 1,39 %) auszuzahlenden Einmalbeträge in vollem Umfang entfallen, erfasst nicht diese weitere Strukturkomponente.
Normenkette
TV ERA-Anpassungsfonds § 4 lit. c; Ergänzungstarifvertrag Cegelec AT GmbH & Co. KG § 3 Ziff. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 06.08.2009; Aktenzeichen 12 Ca 3638/09) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 6. August 2009 – 12 Ca 3638/09 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.022,25 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
3. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung der tariflichen ERA-Strukturkomponente für das Jahr 2008 hat.
Der Kläger ist langjährig bei der Beklagten als Elektromonteur beschäftigt. Er ist Mitglied der IG Metall.
In einem bundesweit zwischen den Landesverbänden der Metall- und Elektroindustrie und den IG Metall Bezirksleistungen für alle Standorte der Beklagten abgeschlossenen Ergänzungstarifvertrag vom 30. September 2003, der erstmals zum 31. Dezember 2006 kündbar war, wird ausgeführt, zur Erhaltung und Stärkung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten und zur Sicherung der Arbeitsplätze seien Geschäftsleitung, Belegschaftsvertretungen und Mitarbeiter entschlossen, einen wirksamen Beitrag zur Verbesserung der Kostensituation zu leisten. Aus dem Grund werde für alle Standorte der Beklagten im Bundesgebiet die Geltung der Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie für das Tarifgebiet Hessen ab dem 1. Januar 2004 vereinbart.
Nach dem für dieses Tarifgebiet geltenden ERA-Einführungstarifvertrag (ERA-ETV) war das neue Entgeltrahmenabkommen (ERA) in den Betrieben der Mitgliedsunternehmen bis zum 1. März 2009 einzuführen. Dabei sollte sichergestellt werden, dass während eines Zeitraums von fünf Jahren nach Einführung des ERA im Betrieb keine betrieblichen Mehrkosten entstanden, die die von den Tarifvertragsparteien im Durchschnitt des Tarifgebiets ermittelten 2,79 % überstiegen. Zum Ausgleich der betrieblichen Mehrkosten wurde in dem Tarifvertrag ERA-Anpassungsfonds (TV ERA-APF) vom 22. Dezember 2003 vereinbart, dass die seit 2002 gültigen Lohn-, Gehalts- und Ausbildungsvergütungsabkommen das jeweilige Tarif-Erhöhungsvolumen aufspalteten in (a) eine tabellenwirksame „lineare Tariferhöhung” und in (b) eine „ERA-Strukturkomponente”. Unter der „ERA-Strukturkomponente” waren dabei (nicht tabellenwirksam werdende) Tariferhöhungen zu verstehen, die in der jeweils ersten Tarifperiode an die Beschäftigten in Form von Einmalzahlungen geleistet wurden und danach bis zum 28. Februar 2006 in einem ERA-Anpassungsfonds zur Finanzierung von Mehrkosten des ERA in Höhe von festgelegten insgesamt 2,79 % bereitgestellt wurden. Der ERA-Anpassungsfonds war durch eine Rückstellung in der Handelsbilanz des Unternehmens zu bilden, so dass es zu keinem Liquiditätsabfluss kam. Die Zuführung zu dem Anpassungsfonds sollte bis zum 1. März 2006 erfolgen, und zwar mit einem Volumen von 0,9 % aus der ab 1. Juni 2002 geltenden Tariferhöhung, von 0,5 % aus der ab 1. Juni 2003 geltenden Tariferhöhung, von 0,7 % aus der ab 1. März 2004 geltenden Tariferhöhung und von 0,7 % aus der ab 1. März 2005 geltenden Tariferhöhung.
Am 1. März 2006 endete die Zuführung zu dem Anpassungsfonds, der mit etwa 4 % der tariflichen Jahresentgeltsumme gefüllt sein sollte. Sein Volumen war zur Deckung betrieblicher Mehrkosten aus der ERA-Einführung oder zur Auszahlung an die Beschäftigten zu verwenden (§ 4 lit. b TV ERA-APF).
Wurde ERA bis zum 1. März 2006 noch nicht eingeführt, so war nach § 4 lit. c TV ERA-APF in den folgenden Tarifperioden eine Einmalzahlung von 2,79 % bis zur betrieblichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens an die Beschäftigten auszuzahlen. Die Betriebsparteien konnten stattdessen durch freiwillige Betriebsvereinbarung festlegen, dass auch diese „weitere ERA-Strukturkomponente” vorläufig nicht ausgezahlt wurde, sondern dem ERA-Anpassungsfonds zugeführt wurde, um sie ebenso wie die auf jeden Fall zuvor angefallenen, jedoch nicht ausgezahlten ERA-Strukturkomponenten ...