Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtsgeld. Nachwirkung, Betriebsvereinbarung. teilmitbestimmt
Leitsatz (amtlich)
Parallelentscheidung zu 12 Sa 1332/10.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 6, § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 29.04.2010; Aktenzeichen 8 Ca 4317/09 d) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 6 AZR 625/11) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 29.04.2010 – 8 Ca 4317/09 d – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 2009.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 10.01.2005 als Zustellerin beschäftigt zu einem durchschnittlichen Bruttomonatslohn von 292,26 EUR. Die Beklagte ist nicht tarifgebunden und hat mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat folgende Vergütungsvereinbarungen in Form von Betriebsvereinbarungen abgeschlossen:
- Die Betriebsvereinbarung zur Regelung der Vergütung vom 16.02.1993 (im Folgenden: BV Vergütung) regelt unter anderem den monatlichen Grundlohn bestehend aus Regellohn, Fahrlohn und Stücklohn etc.
- Die Betriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitsbedingungen vom 16.02.1993 (im Folgenden: BV Arbeitsbedingungen) sieht unter anderem die Zahlung eines Weihnachtsgeldes vor.
- Die Betriebsvereinbarung über die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes vom 22.06.2001 (im Folgenden: BV Urlaubsgeld) regelt Höhe und Modalitäten des Urlaubsgeldes.
Mit Schreiben vom 22.06.2007 hat die Beklagte die oben angeführten Betriebsvereinbarungen zum 31.12.2007 gekündigt. Gleichwohl gewährte die Beklagte allen Arbeitnehmern auch im Jahre 2008 ein Urlaubsgeld, wie es in der BV Urlaubsgeld vorgesehen war. Im Zuge der Verhandlungen mit dem Betriebsrat kam es am 17.09.2008 zu einer „Vereinbarung zur Einführung des neuen Lohnmodells” (im Folgenden: Eckpunkte-Vereinbarung) in der sich die Betriebspartner verpflichteten, im Einzelnen stichwortartig genannte Maßnahmen zum Abschluss entsprechender Betriebsvereinbarungen unverzüglich umzusetzen. Hierin heißt es wörtlich:
„(4) Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld entfallen ab dem 01.01.2009”.
Im Frühjahr 2009 entschloss sich die Beklagte zur Schließung des Betriebes. Mit Schreiben vom 02.07.2009 unter Hinweis auf ein Schreiben vom 23.01.2009 wandte sich die Beklagte hinsichtlich des Urlaubsgeldes an ihre Mitarbeiter und teilte mit, dass in diesem Jahr kein Urlaubsgeld mehr gezahlt werde.
Unter dem 11.11.2009 kam es hinsichtlich der Betriebsschließung zu einem Interessenausgleich und Sozialplan der unter anderem folgende Regelung enthält:
§ 4 Regelung zum Urlaubsgeld
Eine mögliche Nachwirkung der Betriebsvereinbarung Urlaubsgeld vom 22.06.2001 wird zum 31.12.2008 rückwirkend aufgehoben.
Die Beklagte zahlte im Jahr 2009 der ganzen Belegschaft kein Urlaubsgeld. Nach vergeblicher außergerichtlicher Geltendmachung wird der Anspruch mit der vorliegenden Klage weiter verfolgt.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, einen Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 2009 auf der Grundlage der BV Urlaubsgeld zu haben. Die BV Urlaubsgeld wirke trotz der Kündigung zum 31.12.2007 nach. Die Eckpunkte-Vereinbarung vom 17.09.2008 sei nicht ordnungsgemäß zustande gekommen. Die rückwirkende Aufhebung einer möglichen Nachwirkung der BV Urlaubsgeld durch den Sozialplan vom 11.11.2009 sei unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsgeld für das Jahr 2009 in Höhe von 219,20 EUR nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2009 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass es sich bei der BV Urlaubsgeld um eine freiwillige Betriebsvereinbarung handele, die nicht nachwirke. Jedenfalls sei der Anspruch aufgrund des Sozialplanes beziehungsweise der Eckpunkte-Vereinbarung ausgeschlossen.
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 29.04.2010 die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Nachwirkung der BV Urlaubsgeld nicht in Betracht komme, da ein Fall zwingender Mitbestimmung des Betriebsrats nicht gegeben sei. Dem Betriebsrat stehe nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung ein zwingendes Mitbestimmungsrecht im Grundsatz nur über das „wie” und nicht über das „ob” der Leistung zu. Die Beklagte habe die Vergütungsfragen in insgesamt 3 Betriebsvereinbarungen geregelt, und zwar Fragen des Grundlohnes und sonstiger Lohnbestandteile in der BV Vergütung, das Weihnachtsgeld in der BV Arbeitsbedingungen und das Urlaubsgeld in der BV Urlaubsgeld, wobei die BV Vergütung und die BV Arbeitsbedingungen zeitgleich im Jahr 1993 abgeschlossen wurden und die BV Urlaubsgeld aus dem Jahre 2001 stamme. Dies bedeute, dass der freiwillige Vergütungsbestandteil Urlaubsgeld nicht eingebunden war in den Kontext eines Vergütungs- und Entlohnungssystems der Beklagten. Es handele sich insoweit um eine separate Betriebsvereinbarung und keinen Teil eine...