Entscheidungsstichwort (Thema)

ERA-Strukturkomponente. ERA-Einführung. ERA-Anpassung. Tarifauslegung. Betriebsübergang. Fortgeltung von Tarifverträgen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. § 4c des Tarifvertrags Entgeltrahmenabkommen-Anpassungsfonds für die Betriebe der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie und der kunststoffverarbeitenden Industrie in Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2003 (TV ERA-APF) begründet einen individualrechtlichen Zahlungsanspruch der Arbeitnehmer auf ERA-Strukturkomponenten in Höhe von 2,79 % ab März 2006 bis zur betrieblichen ERA-Einführung auch ohne Abschluss einer Betriebsvereinbarung nach § 4e TV ERA-APF.

2. Tarifnormen wirken nach einem Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB statisch fort. Die in statisch fortgeltenden Normen selbst angelegte Dynamik bleibt dabei erhalten.

 

Normenkette

Tarifvertrag Entgeltrahmenabkommen-Anpassungsfonds für die Betriebe der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie und der kunststoffverarbeitenden Industrie in Nordrhein-Westfalen vom 18.12.2003 (TV ERA-APF) § 4c; BGB § 613a Abs. 1 S. 2, § 611 Abs. 1; TVG §§ 1, 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 07.12.2007; Aktenzeichen 2 Ca 3027/07)

ArbG Köln (Urteil vom 10.07.2007; Aktenzeichen 16 Ca 2338/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 21.04.2010; Aktenzeichen 4 AZR 756/08)

 

Tenor

Die Berufungen der Beklagten gegen die am 10.07.2007 – Arbeitsgericht Köln 16 Ca 2338/07 –, 07.12.2007 – Arbeitsgericht Köln 2 Ca 3033/07 – und 07.12.2007 – Arbeitsgericht Köln 2 Ca 3027/07 – verkündeten Urteile werden kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die nicht tarifgebundene Beklagte als Betriebserwerberin verpflichtet ist, die Strukturkomponenten nach § 4 c) des Tarifvertrages ERA-Anpassungsfonds in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (TV ERA-AP) zu zahlen.

Der Kläger zu 1. war seit dem 10.April 1972, die Klägerin (Kl. zu 2.) seit dem 15. Juni 2002 und der Kläger zu 3. seit dem 1. August 1973 bei Unternehmen der K. in K., zuletzt bei der K. A. GmbH, als Angestellte beschäftigt. Die Arbeitsverträge mit den jeweils tarifgebundenen Arbeitgebern enthielten Bezugnahmeklauseln auf die einschlägigen Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW. Die Klägerin und der Kläger zu 3. sind selbst tarifgebunden.

Die Beklagte ist die deutsche Tochtergesellschaft eines internationalen Konzerns mit Hauptsitz der Muttergesellschaft in Finnland. Im Wege der Verschmelzung mit der K. A. GmbH trat sie mit Wirkung vom 15. September 2004 in die Arbeitsverhältnisse ein.

In der Metall- und Elektroindustrie NRW wurden Ende 2003 zwischen der IG Metall und dem Arbeitgeberverband mehrere Tarifverträge zwecks Vereinheitlichung der tariflichen Entgeltstrukturen abgeschlossen, die die bisherigen Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten aufheben und für die Entgeltfindung einheitliche Kriterien zugrundelegen. Der Tarifvertrag zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens (ERA-ETV) vom 18. Dezember 2003 sieht für die betriebliche Einführung des am selben Tag abgeschlossenen Entgeltrahmenabkommens (ERA) nach einer Vorbereitungsphase eine 4-jährige Einführungsphase ab dem 1. März 2005 vor. Ab dem 1. März 2009 gilt das ERA verbindlich für alle Betriebe, die das ERA noch nicht eingeführt haben. Das ERA kann erstmals zum 30. Juni 2009 gekündigt werden.

Der ebenfalls am 18. Dezember 2003 abgeschlossene TV ERA-APF in der Fassung vom 5. März 2004 dient der Sicherstellung der Finanzierung der Umstellung vom bisherigen Tarifsystem auf das ERA-Entgeltsystem, bei dem mit einer systembedingten Steigerung der betrieblichen Entgeltsumme um 2,79 % gerechnet wurde. In den Lohn-, Gehalts- und Ausbildungsvergütungsabkommen vom 23. Mai 2002 und 16. Februar 2004 wurden die Erhöhungen des Tarifvolumens jeweils auf 2 Komponenten verteilt. Eine Komponente diente der dauerhaften Erhöhung der Tabellenwerte der jeweiligen Entgelte („lineares Volumen”). Die andere Komponente („restliches Erhöhungsvolumen”) floss in ERA-Strukturkomponenten, die bis einschließlich Februar 2006 dem ERA-Anpassungsfonds bereit gestellt wurden. Durch das Splitting des Tariferhöhungsvolumens sank das Niveau der Entgelttabellen um insgesamt 2,79 % gegenüber dem Stand ab, der ohne Aufspaltung bestanden hätte.

§ 4 c) TV ERA-APF hat, soweit es hier interessiert, folgenden Wortlaut:

„Ist das ERA im Betrieb noch nicht eingeführt worden, werden ab März 2006 bis zur betrieblichen ERA-Einführung die ERA-Strukturkomponenten in Höhe von 2,79 % als Einmalzahlungen geleistet. Die Berechnung erfolgt entsprechend der Methode für die Auszahlung der ERA-Strukturkomponente aus den Entgeltabkommen vom 16. Februar 2004.”

„Die Tarifvertragsparteien werden Auszahlungszeitpunkte, die aktuelle Bezugsbasis und ggf. weitere Einzelheiten auf Basis der Ergebnisse der Entgeltabkommen 2006 regeln.”

Die Beklagte zahlte Ende 2006 auf der Basis des am 1. März 2006 in Kraft getretenen Gehaltsabkommens vom 22. April 2006...

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