Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Gutschrift von Urlaubstagen auf das Urlaubskonto. Erlöschen des Urlaubsanspruchs

 

Leitsatz (amtlich)

Die Freistellungserklärung der arbeitgebenden Partei kann nach § 362 Abs. 1 BGB das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nur bewirken, soweit für den Freistellungszeitraum eine Arbeitspflicht der anderen Partei besteht (vgl. BAG, Urteil vom 25.01.2022 - 9 AZR 230/21 -, juris, Rn. 19; BAG, Urteil vom 25.08.2020 - 9 AZR 612/19 -, juris, Rn. 17 m.w.N.).

Ist ein Altersfreizeittag verbindlich festgelegt worden, so besteht für diesen Tag keine Arbeitspflicht. Altersfreizeitberechtigte sind nicht verpflichtet, an ohnehin schon freien Tagen, die auf einer Zusammenfassung wöchentlicher Altersfreizeiten beruhen, zusätzlich Urlaub zu nehmen (vgl. BAG, Urteil vom 25.01.2022 - 9 AZR 230/21 -, juris, Rn. 24).

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 3; BGB § 362 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Entscheidung vom 05.06.2023; Aktenzeichen 7 Ca 2970/22)

ArbG Aachen (Entscheidung vom 11.05.2023; Aktenzeichen 7 Ca 2970/22)

BAG (Aktenzeichen 9 AZN 211/24)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 11.05.2023 - 7 Ca 2970/22 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, dem bei ihr für den Kläger geführten Urlaubskonto einen weiteren Tag für das Jahr 2022 zu gutzuschreiben.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits sind zu 60 % vom Kläger und zu 40 % von der Beklagten zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf die Gutschrift von Urlaubstagen auf sein Urlaubskonto.

Der am .1961 geborene Kläger ist seit dem 01.06.1998 bei der Beklagten, einem Pharmatechnologieunternehmen, welches rund 1.600 Mitarbeitende beschäftigt, tätig. Im Betrieb der Beklagten ist ein Betriebsrat gebildet, dessen Vorsitzender der Kläger ist.

Die Beklagte hat mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) einen Firmentarifvertrag vom 01.01.2006 geschlossen (vgl. Bl. 12 ff., Bl. 57 ff.der erstinstanzlichen Akte). Der Kläger ist Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft.

§ 2a des Firmentarifvertrages lautet auszugsweise wie folgt:

"Altersfreizeiten

1. a) Arbeitnehmer, die das 57. Lebensjahr vollendet haben, erhalten die Hälfte der individuellen Sollarbeitszeit eines Arbeitstages als Altersfreizeit je Woche.

b) [...]

2. Die Lage der Altersfreizeiten kann zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG vereinbart werden.

Aus Gründen des Arbeitsablaufs werden die Altersfreizeiten zu freien Tagen im 2-Wochen-Turnus zusammengefasst.

3. [...]

4. Die Altersfreizeit entfällt, wenn der Arbeitnehmer am gleichen Tag aus einem anderen Grund, insbesondere wegen Urlaub, Krankheit, Feiertag oder Freistellung von der Arbeit nicht arbeitet. Macht der Arbeitnehmer von einer Altersfreizeit keinen Gebrauch, so ist eine Nachgewährung ausgeschlossen.

Wird auf Verlangen des Arbeitgebers eine Altersfreizeit aus dringenden betrieblichen Gründen nicht am vorgesehenen Tag gegeben, so ist sie innerhalb von drei Monaten nachzugewähren.

5. [...]"

§ 11 des Firmentarifvertrages lautet auszugsweise wie folgt:

"Urlaub

I.

Urlaubsanspruch

[...]

1. Der Arbeitnehmer hat für jedes Kalenderjahr Anspruch auf einen bezahlten Urlaub.

[...]

11. Der Urlaub ist spätestens bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren. Er verfällt, wenn er bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewährt und bis spätestens im Folgemonat nicht genommen worden ist. Urlaub, der aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte, wird überschreiben.

II.

Urlaubsdauer

1. Der Urlaub beträgt 30 Urlaubstage.

[...]"

§ 14 des Firmentarifvertrages lautet auszugsweise wie folgt:

"Ausschlussfristen

[...].

2. Die Ansprüche beider Seiten aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Nach Ablauf dieser Frist ist die Geltendmachung ausgeschlossen. Das gilt nicht, wenn die Berufung auf die Ausschlussfrist wegen des Vorliegens besonderer Umstände eine unzulässige Rechtsausübung ist.

[...]"

Der Vorgängertarifvertrag vom 01.01.1996 enthielt eine eine Regelung zur Gewährung von Altersfreizeittagen, die der Regelung im Tarifvertrag vom 01.01.2006 inhaltlich vollumfänglich entsprach.

Die Betriebsparteien hatten im Hinblick auf den Tarifvertrag vom 01.01.1996 eine "Betriebsvereinbarung zwecks Festlegung der Altersfreizeittage" vom 30.10.1996 (Bl. 33 f. der erstinstanzlichen Akte) abgeschlossen, die folgende Regelungen enthält:

"§1

Der Beginn des zweiwöchigen Turnus für den Altersfreizeittag wechselt jährlich von der ersten auf die zweite Kalenderwoche.

Für das Jahr 1997 gilt die 1. Kalenderwoche (03.01.97).

Für das Jahr 1998 gilt die 2. Kalenderwoche (09.01.98).

Für das Jahr 1999 gilt die 1. Kalenderwoche (08.01.99), usw ..

§ 2

Fallen Altersfreizeittage auf

1. im Betriebskalender festgelegte B...

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