Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschluss der endgültigen Betriebsschließung in der Insolvenz. Stilllegungsentschluss bis zum Zugang der Kündigung. Wirksamkeit der Kündigung trotz fehlerhafter Massenentlassungsanzeige
Leitsatz (redaktionell)
1. Die betriebsbedingte Kündigung wegen der beabsichtigten Stilllegung des Betriebs ist wirksam, da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass zwischen der Beschlussfassung des Gläubigerausschusses und dem Zugang der Kündigung der endgültige Entschluss zur Stilllegung nicht mehr bestehen soll.
2. Die Angabe einer falschen Zahl geplanter Entlassungen in der Massenentlassungsanzeige macht die Kündigung nicht unwirksam, soweit sich der Kläger nicht darauf beruft, dass dies gerade sein Arbeitsverhältnis betreffen soll.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2, § 17; BGB § 134; BetrVG § 102; InsO §§ 69, 113 S. 1, § 188 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 17.08.2020; Aktenzeichen 4 Ca 6187/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.08.2020 - 4 Ca 6187/19 - teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen, das sich auf Verhalten und Leistung erstreckt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz tragen der Beklagte zu 1/5 und die Klägerin zu 4/5. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt um die Wirksamkeit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Zahlung eines Nachteilsausgleichs.
Die am .1960 geborene Klägerin, ledig, ist seit dem 01.03.2006 bei der Insolvenzschuldnerin als kaufmännische Angestellte eines Autohauses - zuletzt in der Funktion als Niederlassungsleiterin - auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01.03.2006 (Bl. 39 ff. d. A.) beschäftigt. Der Beklagte wurde, nachdem die Insolvenzschuldnerin am 06.06.2019 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung beantragt hatte, vom Insolvenzgericht zunächst als Gutachter und vorläufiger Sachwalter bestellt.
Im Juli 2019 lagen im Rahmen der Investorensuche drei Interessenbekundungen vor, wobei mit einem Interessenten konkrete Verhandlungen stattfanden. Unter dem 01.08.2019 eröffnete das Insolvenzgericht das Hauptinsolvenzverfahren und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter (Bl. 49 ff. d. A.).
Der Gläubigerausschuss hat ausweislich Protokoll vom 06.09.2019 TOP 7 am 28.08.2019 u. a. einstimmig beschlossen, den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin stillzulegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Protokolls wird auf Bl. 275 ff. d. A. verwiesen.
Am 30.08.2019 wurde die Belegschaft der Insolvenzschuldnerin von der bevorstehenden Schließung des Geschäftsbetriebs informiert und ein Großteil der Arbeitnehmer von der Arbeit freigestellt.
Am 09.09.2019 zeigt der Beklagte beim Insolvenzgericht Masseunzulänglichkeit an.
Am 18.09.2019 wurde sowohl mit dem Betriebsrat als auch dem Konzernbetriebsrat ein inhaltsgleicher Interessenausgleich abgeschlossen (Bl. 98 ff., 117 ff. d. A.). Zudem erfolgte der Abschluss eines Insolvenzsozialplans. Zwischen Betriebsrat und Konzernbetriebsrat besteht Personenidentität.
Der Betriebsrat wurde nach Angaben des Beklagten mit Schreiben vom 18.09.2019 (Bl. 294 ff., Bl. 302 ff. d. A.) u. a. zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers angehört. Der Betriebsrat nahm mit Schreiben vom 19.09.2019 abschließend zur Anhörung und zum Konsultationsverfahren Stellung (Bl. 301 d. A.).
Am 19.09.2019 erfolgte schriftlich eine Massenentlassungsanzeige bei der Bundesagentur für Arbeit. Wegen der Einzelheiten der Massenentlassungsanzeige wird auf Bl. 190 ff. d. A. Bezug genommen. Die Bundesagentur für Arbeit bestätigte den vollständigen Eingang der Massenentlassungsanzeige mit Schreiben vom 23.09.2019 (Bl. 300 d. A.).
Der Beklagte kündigte unter Beachtung der insolvenzrechtlichen Kündigungsfristen die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter, das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 20.09.2019, zugegangen am 21.09.2021, unstreitig zum 31.12.2019.
Vom 22.10.2019 datiert ein Letter of Intent (LOI), unterzeichnet vom ehemaligen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin P und der Herren S über einen Asset Deal in Höhe von 350 TD € mit A & B S , I Co., H K o J . Wegen der Einzelheiten des LOI wird auf Bl. 447 f. d. A. verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 17.08.2020 (Bl. 321 ff. d. A.) u. a. erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die Kündigung des Beklagten vom 20.09.2019 nicht aufgelöst worden sei. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe nicht hinreichend dargetan, dass zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung ein ernsthafter und endgültiger Entschluss zur Betriebsstilllegung getroffen worden sei, da der Investorenprozess laut Protokoll der Sitzung des Gläubigerausschusses vom 28.08.2019 formell aufrechterhalten worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbingens sowie der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der weit...