Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebliche Altersversorgung. Störung der Geschäftsgrundlage. Zweckverfehlung. Äquivalenzstörung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sinn einer Gesamtversorgungszusage ist es, dem Betriebsrentner eine bestimmte Versorgungshöhe zu garantieren, nicht aber, einen Gleichlauf zwischen der Erhöhung der Vergütung der aktiven Mitarbeiter und der Steigerung der Betriebsrenten zu erreichen.

2. Bei einer vertragsimmanenten Risikoübernahme (hier: höherer prozentualer Anstieg der Vergütung der aktiven Arbeitnehmer als der Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung) kann eine nachträgliche Vertragsanpassung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur in Betracht kommen, wenn durch Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners ein so krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr zumutbar ist.

 

Normenkette

BGB § 313 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Aachen (Urteil vom 14.01.2005; Aktenzeichen 9 Ca 2801/04)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.02.2008; Aktenzeichen 3 AZR 212/06)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen 14.01.2005 – 9 Ca 2801/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe der an den Kläger zu zahlenden betrieblichen Altersversorgung.

Der Kläger, geboren am 30. April 1938, war vom 16. Juni 1962 bis zum 30. November 1997 bei der Beklagten beschäftigt. Er erhielt ab dem 1. Dezember 1997 zunächst eine Erwerbsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die ab 1. Mai 2003 in eine Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung umgewandelt wurde. Ab dem 1. Dezember 1997 bezog er von der Beklagten eine Invaliditätsrente. Seit dem 1. Mai 2003 erhält er von ihr Ruhegehalt als Altersleistung.

Das betriebliche Ruhegeld wird gezahlt auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 25. Juni 1976, geändert durch Betriebsvereinbarungen vom 4. Juni 1993 und vom 17. November 1995. Diese beinhalten eine sogenannte Gesamtversorgung. Der Ruhegeldanspruch beträgt nach 10-jähriger anrechnungsfähiger Dienstzeit 35 % und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr bis zum vollendeten 25. Dienstjahr um je 2 %, danach um je 1 % bis zum Höchstsatz von 75 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge. Auf den derartig berechneten Versorgungsprozentsatz wird die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet.

Die dem Kläger nach der Erstfestsetzung ab 1. Mai 2003 geschuldete monatliche Betriebsrente in Höhe von EUR 676,70 war nach der bislang geltenden Regelung von der Beklagten jährlich wie folgt zu dynamisieren: Die der Erstfestsetzung der Versorgungsbezüge zugrunde liegenden ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (Versorgungsgrundlage) werden im Rahmen der Gesamtrentenfortschreibung jährlich zeitgleich nach Maßgabe des Anstiegs der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nach der Besoldungsordnung für die Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen fortgeschrieben. Hieraus wird unter Zugrundlegung der individuellen Versorgungsdaten der Betrag der Gesamtversorgung jährlich neu berechnet. Auf den so berechneten Gesamtversorgungsbetrag wird der anrechnungsfähige Teil der aktuellen, um die jährliche Anpassung erhöhten individuellen Sozialversicherungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zeitgleich mit deren Anpassungstermin angerechnet.

Seit dem 1. April 2004 wird der Versorgungsbezug für den Kläger – ebenso wie bei den anderen Versorgungsempfängern der Beklagten mit einer Gesamtversorgungszusage – in einer von der Entwicklung der gesetzlichen Sozialversicherungsrente losgelösten Art wie folgt dynamisiert: Der auf der Grundlage der Gesamtrentenfortschreibung im Jahr 2003 für den Kläger berechnete und von der Beklagten geschuldete Versorgungsbezug wird als Nominalbetrag zugrundegelegt und ab 2004 ausschließlich nach dem jeweils sich ergebenden Erhöhungsprozentsatz der Tabellen der Landesbesoldungsordnung für Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen dynamisiert, und zwar zeitgleich zu dem für die Besoldung der Beamten festgelegten Erhöhungstermin. Eine Berücksichtigung der Veränderungen der Sozialversicherungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt seit diesem Zeitpunkt für den monatlichen Versorgungsbezug und die Sonderzuwendung nicht mehr.

Danach erhöhte die Beklagte ab 1. April 2004 die zuletzt rückwirkend gezahlte monatliche Betriebsrente in Höhe von EUR 713,08 entsprechend der Erhöhung nach der Tabelle der Landesbesoldungsordnung für Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen um 1 % auf EUR 720,21. Die monatliche Erhöhung fiel damit im Vergleich zu einer Erhöhung auf der Grundlage der bis zu diesem Zeitpunkt praktizierten Dynamisierungsregelung um EUR 15,14 niedriger aus.

Der Kläger hat auch erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die einseitige Änderung der Anpassungsregelung sei nicht zulässig. Die Erhöhungsregelung sei nicht nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgr...

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