Entscheidungsstichwort (Thema)
betriebliche Altersversorgung. Störung der Geschäftsgrundlage. Zweckverfehlung. Äquivalenzstörung
Leitsatz (amtlich)
1. Sinn einer Gesamtversorgungszusage ist es, dem Betriebsrentner eine bestimmte Versorgungshöhe zu garantieren, nicht aber, einen Gleichlauf zwischen der Erhöhung der Vergütung der aktiven Mitarbeiter und der Steigerung der Betriebsrenten zu erreichen.
2. Bei einer vertragsimmanenten Risikoübernahme (hier: höherer prozentualer Anstieg der Vergütung der aktiven Arbeitnehmer als der Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung) kann eine nachträgliche Vertragsanpassung unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur in Betracht kommen, wenn durch Umstände außerhalb des Einfluss- und Risikobereichs des Schuldners ein so krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung entsteht, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht mehr zumutbar ist.
Normenkette
BGB § 313 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 13.10.2004; Aktenzeichen 12 Ca 5253/04) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.10.2004 – 12 Ca 5253/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der an den Kläger zu zahlenden betrieblichen Altersversorgung.
Der Kläger, geboren am 10. Dezember 1934, war vom 1. Februar 1967 bis zum 31. August 1996 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. Januar 1998 bezieht er Altersrente wegen Arbeitslosigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung und erhält seit diesem Zeitpunkt eine vorgezogene Altersrente von der Beklagten.
Das betriebliche Ruhegeld wird gezahlt auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung vom 25. Juni 1976, geändert durch Betriebsvereinbarungen vom 4. Juni 1993 und vom 17. November 1995. Diese beinhalten eine sogenannte Gesamtversorgung. Der Ruhegeldanspruch beträgt nach 10-jähriger anrechnungsfähiger Dienstzeit 35 % und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr bis zum vollendeten 25. Dienstjahr um je 2 %, danach um je 1 % bis zum Höchstsatz von 75 % der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge. Auf den derartig berechneten Versorgungsprozentsatz wird die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet.
Die dem Kläger nach der Erstfestsetzung geschuldete monatliche Betriebsrente in Höhe von DM 1.332,18 wurde von der Beklagten jährlich wie folgt dynamisiert: Die der Erstfestsetzung der Versorgungsbezüge zugrunde liegenden ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge (Versorgungsgrundlage) wurden im Rahmen der Gesamtrentenfortschreibung bislang jährlich zeitgleich nach Maßgabe des Anstiegs der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nach der Besoldungsordnung für die Beamten des Landes Nordrhein-Westfalen fortgeschrieben. Hieraus wurde unter Zugrundlegung der individuellen Versorgungsdaten der Betrag der Gesamtversorgung jährlich neu berechnet. Auf den so berechneten Gesamtversorgungsbetrag wurde der anrechnungsfähige Teil der aktuellen, um die jährliche Anpassung erhöhten individuellen Sozialversicherungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zeitgleich mit deren Anpassungstermin angerechnet.
Seit dem 1. April 2004 wird der Versorgungsbezug für den Kläger – ebenso wie bei den anderen Versorgungsempfängern der Beklagten mit einer Gesamtversorgungszusage – in einer von der Entwicklung der gesetzlichen Sozialversicherungsrente losgelösten Art wie folgt dynamisiert: Der auf der Grundlage der Gesamtrentenfortschreibung im Jahr 2003 für den Kläger berechnete und von der Beklagten geschuldete Versorgungsbezug wird als Nominalbetrag zugrundegelegt und ab 2004 ausschließlich nach dem jeweils sich ergebenden Erhöhungsprozentsatz der Tabellen der Landesbesoldungsordnung für Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen dynamisiert, und zwar zeitgleich zu dem für die Besoldung der Beamten festgelegten Erhöhungstermin. Eine Berücksichtigung der Veränderungen der Sozialversicherungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt seit diesem Zeitpunkt für den monatlichen Versorgungsbezug und die Sonderzuwendung nicht mehr.
Danach erhöhte die Beklagte ab 1. April 2004 die zuletzt gezahlte monatliche Betriebsrente in Höhe von EUR 803,37 entsprechend der Erhöhung nach der Tabelle der Landesbesoldungsordnung für Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen um 1 % auf EUR 811,40. Die monatliche Erhöhung fiel damit im Vergleich zu einer Erhöhung auf der Grundlage der bis zu diesem Zeitpunkt praktizierten Dynamisierungsregelung um EUR 14,24 niedriger aus.
Die Kläger hat auch erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die einseitige Änderung der Anpassungsregelung sei nicht zulässig. Die Ankündigung der Beklagten vom 15. April 2004, die Änderung auch dann durchzuführen, wenn er nicht zustimme, stelle einen Widerruf dar. Die Erhöhungsregelung sei nicht nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage anzupassen. Der Beklagten sei seit Jahrzehnten bekannt, zu welchen Belastungen die Gesamtversorgungszusagen führten. Sie befinde sich nicht in eine...