Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebungsvertrag. Geschäftsfähigkeit. Anfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Vorliegen einer psychischen Erkrankung allein lässt keinen Rückschluss auf die Möglichkeit der freien Willensbestimmung zu. Einem Beweisantritt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist in diesem Zusammenhang nur nachzugehen, wenn konkreter Tatsachenvortrag den Rückschluss auf fehlende freie Willensbestimmung möglich erscheinen lässt.
2. Zur Behauptung einer widerrechtlichen Drohung kommt eine Parteivernehmung der beweispflichtigen anfechtenden Partei nur in Betracht, wenn für die Behauptung eine gewisse Anfangswahrscheinlichkeit besteht (auch BAG, Urteil vom 16.09.1999 – 2 AZR 712/98 – NZA 2000, 208).
3. Ein Erklärungsirrtum liegt nicht vor, wenn der Erklärungstatbestand dem Willen des Erklärenden bei Abgabe der Erklärung entsprach.
Normenkette
BGB §§ 104-105, 119, 123
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 07.11.2008; Aktenzeichen 1 Ca 2381/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 07.11.2008 – 1 Ca 2381/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am 07.08.1978 geborene Kläger absolvierte bei der Beklagten vom 01.08.1996 bis zum 11.01.2000 seine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel und wurde darauf von der Beklagten zunächst als Vollzeitkraft in ein Angestelltenverhältnis übernommen. Vom 01.10.2004 bis zum 31.08.2005 arbeitete der Kläger bei der Beklagten als geringfügig Beschäftigter.
Die Beklagte wechselte zum 01.09.2005 im Einzelhandels- und Dienstleistungsverband A. e.V. von einer Vollmitgliedschaft zu einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung.
In § 11 Abs. 10 des Manteltarifvertrags Einzelhandel NRW heißt es:
„Auflösungsverträge bedürfen der Schriftform. Jede der Parteien kann eine Bedenkzeit von 3 Werktagen in Anspruch nehmen. Ein Verzicht hierauf ist schriftlich zu erklären.”
Am 01.09.2005 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag über die Beschäftigung des Klägers als Einrichtungsberater in Vollzeit. Der Arbeitsvertrag enthält keine umfassende Inbezugnahme eines Tarifvertrags. Punktuell wie etwa unter Ziffer 1.2 Satz 2 und 3 zur Arbeitszeit oder unter Ziffer 7.1 Satz 2 zur Dauer des Urlaubs verweist er auf Tarifverträge.
Die Beklagte zahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld ohne Vereinbarung im schriftlichen Arbeitsvertrag nach Maßgabe des Manteltarifvertrags Einzelhandel NRW. Der Arbeitsvertrag sah eine Befristung des Arbeitsverhältnisses auf 18 Monate vor. Auf die Entfristungsklage des Klägers vor dem Arbeitsgericht Aachen unter dem Aktenzeichen 4 Ca 857/08 schlossen die Parteien am 29.03.2007 einen Vergleich dahingehend, dass zwischen ihnen Einigkeit bestehe, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet fortbestehe.
Der Kläger leidet unter desintegrativer Schizophrenie, die sich in Form einer hebephrenen Psychose äußert, und war seit dem 27.02.2007 arbeitsunfähig erkrankt.
Eine am 04.05.2007 unter dem Aktenzeichen 7 Ca 1733/07 erhobene Klage vor dem Arbeitsgericht Aachen gegen die Beklagte wegen Mobbing-Vorwürfen nahm der Kläger zurück.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 03.05.2007 zum 30.06.2007 mit der Begründung, das Vertrauensverhältnis sei wegen der Mobbing-Vorwürfe gestört, deren Unhaltbarkeit sich bereits aus den von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ergebe. Im Kündigungsrechtsstreit unter dem Aktenzeichen 4 Ca 1953/07 schlossen die Parteien am 22.01.2008 einen widerruflichen Vergleich, nach dem das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung von 10.000,00 Euro brutto beendet werden sollte. Der Kläger widerrief den Vergleich. Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom 12.02.2008 fest, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt gewesen sei und das Arbeitsverhältnis fortbestehe.
Auf den Antrag vom 14.12.2007 erkannte der Kreis A. mit Bescheid vom 15.04.2008 dem Kläger einen Grad der Behinderung von 50 zu. Der Kläger teilte dies der Beklagten mit.
Der Kläger machte anwaltlich vertreten gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Aachen unter dem Aktenzeichen 4 Ca 5203/07 Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld geltend. Im Kammertermin am 29.04.2008 sprachen die Parteien über die Möglichkeit einer vergleichsweisen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Da sich der Kläger seit dem 28.04.2008 in stationärer Behandlung im Klinikum A. befand, schlossen die Parteien zunächst keinen Vergleich, vereinbarten aber, dass sich der Kläger nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus wieder bei der Beklagten wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses melden solle. Die Deutsche Rentenversicherung bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 13.05.2008 mit Wirkung ab dem 01.02.2008 befristet bis zum 31.03.2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der Kläger vereinbarte nach der Beendigung seines Krankenhausaufenthaltes einen Gesprächstermin für den 14.05.2008 mit dem Geschäftsführer der Beklagten, Herrn H. Herr H. übergab in dem Gespräch dem Kläger einen Entwurf eines Aufhebungsvertrag...