Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedeutung des Begriffs "Nettovergütung" in der Rechtsterminologie. Beitragszuschuss des Arbeitgebers für einen privat krankenversicherten Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Zur Berücksichtigung der Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung als Nettoeinkommen bei der Berechnung des arbeitsvertraglichen Krankengeldzuschuss
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Begriff der Nettovergütung ist in der Rechtsterminologie mit einer bestimmten Bedeutung belegt. Unter Nettovergütung wird die um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bruttovergütung verstanden; vermindert durch die vom Arbeitnehmer zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge und die auf die Bezüge entfallende Lohnsteuer.
2. Zu der Nettovergütung gehören die nach § 257 Abs. 2 SGB V und § 61 Abs. 2 SGB XI einem privat krankenversicherten Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber gewährten Beitragszuschüsse nicht. Denn diese stellen kein Bruttoarbeitsentgelt und keinen Gehaltsbestandteil dar, sondern bilden das Gegenstück zu dem in § 249 Abs. 1 SGB V, § 58 Abs. 1 u. Abs. 3 SGB XI gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitgeberanteil für in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig Beschäftigte.
Normenkette
SGB V; SGB XI; SGB V § 224 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 257 Abs. 2; SGB XI § 49 Abs. 1 Nr. 1, §§ 58, 61 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 21.07.2022; Aktenzeichen 3 Ca 420/22) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.07.2022 - 3 Ca 420/22 - teilweise abgeändert und wie folgt neu formuliert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.539,59 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 2.498,54 € seit 26.03.2022, aus 832,84 € seit 28.04.2022 und aus 208,21 € seit 13.06.2022 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Parteien zu je 1/2.
III.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf einen arbeitsvertraglichen Zuschuss zum Krankengeld.
Der am 1962 geborene Kläger war zunächst bei der P gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag aus 2002 beschäftigt, wobei gemäß § 1 des Vertrages vor Dienst- und Beschäftigungszeiten bei der D sowie durch die D anerkannte Postdienstzeiten anerkannt worden sind. Zwischenzeitlich besteht das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund Betriebsübergang mit der Beklagten.
§ 7 Abs. 2 des Arbeitsvertrags regelt einen arbeitsvertraglichen Zuschuss zum Krankengeld wie folgt:
Im Anschluss an die gesetzliche 6-wöchige Gehaltsfortzahlung erhält Herr G bis zum Abschluss einer eigenen tariflichen Regelung durch die Systems einen Zuschuss zu den Barleistungen seiner Krankenversicherung, der zusammen mit diesem Krankengeld die Höhe seiner Nettovergütung gemäß § 3 Abs. 1 erreicht bei einer Betriebszugehörigkeit:
a) von mehr als 1 Jahr bis zu einer Dauer von 7 Wochen,
b) von mehr als 3 Jahren bis zu einer Dauer von 20 Wochen,
c) von mehr als 5 Jahren bis zu einer Dauer von 26 Wochen,
d) von mehr als 8 Jahren bis zu einer Dauer von 33 Wochen,
e) von mehr als 12 Jahren bis zu einer Dauer von 52 Wochen.
§ 3 des Vertrages regelt unter der Überschrift Vergütung u. a. folgendes:
Herr G erhält als Vergütung für seine Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft nach § 1 sowie für die Wahrnehmung von Aufgaben jeglicher Art bei oder für verbundene Unternehmen ein festes Jahresgehalt. Das Jahresgehalt ohne Berücksichtigung einer möglichen Tariferhöhung 2002 beträgt 64.422,78 € brutto. Das Jahresgehalt wird nach Abzug der gesetzlichen Abgaben in 12 gleichen Beträgen jeweils mit Fälligkeit am Letzten eines Monats gezahlt.
Aufgrund seiner Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 01.09.2021 bis zum 15.05.2022 erhielt der Kläger von seiner privaten Krankenversicherung ein Krankengeld i. H. v. 117,76 € pro Kalendertag. Die Beklagte zahlte in diesem Zeitraum einen Zuschuss zum Krankengeld im Umfang eines Gesamtbetrages von 7987,75 €.
Mit seiner Klage vom 18.03.2022 und darauffolgenden Klageerweiterungen macht der Kläger einen darüber hinausgehenden Betrag i. H. v. 6982,26 € netto nebst Zinsen sowie die Erteilung einer korrekten Abrechnung des Krankengeldzuschusses für die Monate ab September 2021 bis zum 15.05.2022 geltend.
Erstinstanzlich hat der Kläger hierzu die Auffassung vertreten, bei der Berechnung des Zuschusses zum Krankengeld sei von einem Nettogehalt des Klägers in Höhe von monatlich 4926,99 € auszugehen. Unzutreffend sei es, von einem fiktiven Vergleichsnettogehalt von 4503,29 € auszugehen, da es hierfür keine Anhaltspunkte in der arbeitsvertraglichen Regelung in § 7 Abs. 2 des schriftlichen Arbeitsvertrages aus dem Jahr 2002 gebe. Bei dem privatversicherten Kläger sei zu berücksichtigen, dass ihm wie vergleichbaren gesetzlich versicherten Arbeitnehmern im Fall der Arbeitsunfähigkeit ein Nettogehalt von 4503,29 € verbleiben solle. Der Kläger müsse - anders al...