Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizeitausgleich. Vergütung. Betriebsratstätigkeit. Reisezeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage, ob Betriebsratsmitglieder Anspruch auf tarifliche Zeitzuschläge nach § 23 MTV Nr. 14 für das Bodenpersonal der Dt. Lufthansa AG haben, wenn sie für mit Betriebsratstätigkeit zusammenhängende Reisezeiten Freizeitausgleich nach § 37 III BetrVG erhalten.

2. Sieht eine betriebliche Regelung über Dienstreisen für Arbeitnehmer keine Zuschläge beim Freizeitausgleich vor, gilt dies wegen § 78 S. 2 BetrVG auch für den Freizeitausgleich für Reisezeiten im Zusammenhang mit Betriebsratstätigkeit.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 3, § 78 S. 2; MTV Nr. 14 für das Bodenpersonal der Lufthansa § 23

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 10.05.2007; Aktenzeichen 17 Ca 10733/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.08.2009; Aktenzeichen 7 AZR 218/08)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.05.2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Köln – 17 Ca 10733/06 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin beim Freizeitausgleich für mit Betriebsratstätigkeit zusammenhängenden Reisezeiten außerhalb ihrer persönlichen Arbeitszeit tarifliche Zeitzuschläge zustehen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten am Flughafen Köln/Bonn als Flightmanagerin beschäftigt. Sie ist Mitglied des örtlichen Betriebsrats sowie des Gesamtbetriebsrats und verschiedener überörtlicher Ausschüsse dieses Gremiums. Nach § 8 des auf das Arbeitsverhältnis aufgrund Vereinbarung anwendbaren Manteltarifvertrages Nr. 14 für das Bodenpersonal der Beklagten vom 1.Oktober 1992 in der überarbeiteten Fassung vom 12. Mai 2005 (nachfolgend: MTV, Bl. 166 – 201 d.A.) wird die Lage der täglichen Grundarbeitszeit durch Schichtpläne geregelt. Betriebsratstätigkeit einschließlich dafür erforderlicher Reisezeiten, die in die Grundarbeitszeit fallen, vergütet die Beklagte so, als ob die Klägerin ihre dienstplanmäßige Schichtarbeit abgeleistet hätte. Bei der überörtlichen Betriebsratstätigkeit fallen auch Reisezeiten an, durch die die Grundarbeitszeit überschritten wird. Für Reisezeiten außerhalb der Grundarbeitszeit gewährt die Beklagte nach Absprache mit der Klägerin Freizeitausgleich und zahlt hierfür die Grundvergütung einschließlich Schichtzuschlag, der bei der im Schichtdienst tätigen Klägerin zur fortgezahlten Grundvergütung gehört, aber keine Zeitzuschläge i.S.d. § 23 MTV (Sonntags-, Feiertags-, Nachtzuschlag), wenn an den Tagen des Freizeitausgleichs bei Arbeit Zeitzuschläge angefallen wären.

Bei der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung in der zuletzt gültigen Fassung ab 1.1.1990, die die Anrechnung der bei Dienstreisen von Mitarbeitern anfallenden Reise- und Arbeits- (Dienstgeschäfts-) zeiten auf die Arbeitszeit sowie die Vergütungsfortzahlung für die Dauer der Teilnahme an angeordneten Lehrgängen einschließlich der An- und Abreise regelt (nachfolgend: BV, Bl. 70 ff. d.A.). Nach § 9 Absatz 3 Satz 1 BV werden Reise- (und Warte-) zeiten auf die sonst zu erbringende Arbeitszeit angerechnet. § 9 Absatz 3 Satz 2 BV bestimmt, dass Reisezeiten ausnahmslos der Grundarbeitszeit zuzurechnen sind, „das heißt sie lösen keine Zuschläge aus und sind grundsätzlich ohne Bedeutung für die Frage, ob Arbeitszeiten zuschlagsberechtigt sind”. Nach § 12 Absatz 1 BV ist möglichst bis zum Ende des auf die Dienstreise folgenden Monats entsprechender Freizeitausgleich zu gewähren, soweit Arbeits- und/oder Reisezeiten einer Dienstreise über die sonst dienst- bzw. schichtplanmäßige Grundarbeitszeit hinausgehen.

Die Klägerin hat geltend gemacht, an Tagen des Freizeitausgleichs für Reisezeiten außerhalb ihrer Grundarbeitszeit habe sie Anspruch auf die Zuschläge, die sie erhalten hätte, wenn sie gearbeitet hätte. Sie werde sonst als Betriebsratsmitglied verbotswidrig benachteiligt.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte, wenn sie der Klägerin gemäß § 37 Absatz 3 Satz 1 BetrVG Arbeitsbefreiung zum Ausgleich von Reisezeiten im Zusammenhang mit Betriebsratstätigkeiten gewährt, verpflichtet ist, auch die Schichtzuschläge zu zahlen, die angefallen wären, wenn die Klägerin an dem jeweiligen Tag der Arbeitsbefreiung dienstplanmäßig gearbeitet hätte.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die begehrte Zahlung würde zu einer verbotswidrigen Begünstigung der Klägerin führen, da die einschlägige BV den Ausgleich von Reisezeiten ohne Zuschläge für alle Arbeitnehmer vorsehe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen das Urteil vom 10. Mai 2007 (Bl. 96-102 d.A.) hat die Klägerin Berufung eingelegt. Sie vertritt in Anlehnung an die zu den Akten gereichte Entscheidung des LAG Berlin vom 9.2.2006 (Bl. 6-14 d.A.) die Auffassung, bei der Vergütung von Reisezeit sei eine „Dreiteilung” vorzunehmen: Reisezeit während der Arbeitszeit sei wie Arbeitszeit zu vergüten, die ausfalle. Reisezeit übe...

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