Rechtsmittel zugelassen
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Ausbildungsverhältnis mit Abschlußprüfung verstößt es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und damit gegen die guten Sitten, wenn der Auszubildende, der die Prüfung nicht besteht von der Möglichkeit einer zweiten Prüfung völlig ausgeschlossen wird.
Normenkette
BGB § 138
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 20.02.1997; Aktenzeichen 8 Ca 5679/95) |
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.02.1997 – 8 Ca 5679/95 – wird geändert: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 65.063,01 DM zu zahlen nebst 4 % Zinsen von 8.813,61 DM seit dem 05.05.1994 und von 56.249,40 DM seit dem 23.01.1996.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte-
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte (GmbH) betreibt Luftverkehr und kommerzielle Pilotenausbildung. Der Kläger, geboren am 23.08.1954, ist promovierter Psychologe und hauptberuflich als Dozent an einer Hochschule tätig(Luftfahrtpsychologie). Er besitzt eine Fliegerlizenz und war an einer nebenberuflichen Pilotentätigkeit bei der Beklagten interessiert. Die Beklagte ihrerseits war an einer solchen Mitarbeit des Kläger interessiert (schriftliche Bestätigung der Beklagten vom 02.03.1993, Bl. 37 d.A.).
Unter dem 19.06.1993 haben die Parteien einen Piloten-Ausbildungsvertrag geschlossen (für Boeing 737–300, Bl. 6 ff d.A.). Die Ausbildung wurde auch vollzogen. Unter dem 16.08.1993 haben die Parteien eine weitere Vereinbarung geschlossen, durch die sich die Beklagte verpflichtete, den Kläger nach Erwerb der Berechtigung als Piloten zu beschäftigen.
Am 25.11.1993 fand im letzten Ausbildungsabschnitt des Klägers (Flugausbildung) die Abschlußprüfung statt. Der Kläger hat diese Prüfung nicht bestanden (Prüfungsbericht des Prüfers Flugkapitän Riedel vom 25.11.1993, Bl. 39 u. 40 d.A.). Die Beklagte hat daraufhin zwei Ausbilder angehört (Görig Bl. 42 d.A., Beyer Bl. 41 d.A.) und unter dem 01.12.1993 dem Kläger mitgeteilt, daß sie die Ausbildung abbreche (Bl. 14 d.A.). Der Kläger hat hiergegen Einwände erhoben und Nachausbildung verlangt nach Maßgabe seiner Schreiben vom 05.01., 24.01., 13.04. und 01.05.1994 (Bl. 15, 17, 95, 99 d.A.) unter Berufung auf die Regelung in § 5 Satz 3 des Ausbildungsvertrages: („Sollte der Schüler eine der behördlich vorgesehenen Überprüfungen nicht bestehen oder für diese nicht zugelassen werden können, wird im Interesse des Schülers in einem Gremium bestehend aus einem Vertreter des Ausbildungsbetriebes, dem Ausbildungsleiter, mindestens einem beteiligten Ausbilder sowie dem Schüler, festgestellt, ob eine Nachschulung und/oder Nachprüfung sinnvoll erscheint”).
Die Beklagte ist der Forderung nicht nachgekommen. Der Kläger hat daraufhin am 25.06.1994 beim Amtsgericht Klage erhoben. Er hat seine Aufwendungen für die Ausbildung bei der Beklagten als Schaden geltend gemacht in Höhe von insgesamt 65.083,01 DM (Aufstellung in Klageschrift Bl. 4 und Schriftsatz vom 18.01.1996). Er hat geltend gemacht, daß er einen Anspruch auf Nachschulung gehabt habe und mit der Ausbildung der Beklagten praktisch nur bei ihr nebenberuflich habe tätig werden können. Das Amtsgericht hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 65.063,01 DM nebst 4 % Zinsen aus 8.813,61 DM seit dem 05.05.1994 und aus 56.249,40 DM seit Rechtshängigkeit (der Klageerweiterung) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht: Beim Kläger sei die Flugprüfung erst nach 118 Stunden Flugausbildung angesetzt worden. Das Ergebnis (Bericht Riedel vom 25.11.1996) sei völlig unzureichend gewesen. Die dortigen Benotungen S bedeuteten zufriedenstellend, Si, daß die Leistung verbessert werden müsse und die Note U unbefriedigend. Nach Erhalt dieses Berichts habe sich ihr Flugbetriebsleiter mit allen Kapitänen in Verbindung gesetzt, die Ausbildungsflüge mit dem Kläger durchgeführt hatten, und sie über die Leistungen des Klägers während der Ausbildungsflüge befragt. Übereinstimmend hätten die Kapitäne angegeben, daß der Kläger unter mangelhafter Konzentrationsfähigkeit und unter Nervosität leide und während der Ausbildungsflüge immer wieder Rückschritte festgestellt worden seien. Aufgrund dieser Stellungnahmen sei der Flugbetriebsleiter zu dem Ergebnis gekommen, daß eine Beschäftigung des Klägers bei der Beklagten als Copilot nicht in Betracht kommen könne und daß eine Nachschulung und Wiederholung der Prüfung nicht sinnvoll erscheine, weil der Kläger aufgrund der während der Ausbildungsflüge immer wieder aufgetretenen Rückschritte auch nach einer erfolgreich bestandenen Prüfung nicht die Gewähr dafür biete, daß bei einem anschließenden kommerziellen Einsatz sich erneut Rückschritte einstellen würden und dadurch die sichere Durchführung von Flügen gefährdet werde. Ein Rechtsanspruch auf Nachschulung und Nachprüfung sei im Ausbi...