Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialauswahl. Vorrang der Änderungskündigung. Verhältnismäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Kein Vorrang der Änderungskündigung, wenn die klagende Arbeitnehmerin bis zum Schluss der Berufungsverhandlung – auch auf Nachfrage – nicht einmal behauptet, sie sei bereit gewesen, unter geänderten Bedingungen weiter zu arbeiten (keine Abweichung von BAG – 2 AZR 132/04).
Normenkette
KSchG §§ 1-2
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 14.12.2005; Aktenzeichen 3 (6) Ca 1092/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 14.12.2005 – 3 (6) Ca 1092/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung und um eine Forderung auf zukünftige Leistung.
Die Klägerin ist 1957 geboren, ledig und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Sie war seit dem 01.10.1992 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin als Buchhalterin in der Abteilung Rechnungswesen, Buchhaltung, Statistik (ReBuSta) beschäftigt und verdiente zuletzt 2.709,21 EUR brutto pro Monat. In der gleichen Abteilung arbeitete noch die Kollegin der Klägerin, Frau A. Im Hinblick auf die Tätigkeit und die Höhe des Entgelts sind die beiden Arbeitnehmerinnen miteinander vergleichbar. Frau A ist 2 Jahre jünger als die Klägerin, geschieden, hat ein erwachsenes Kind und ist erst seit dem 01.10.2002 bei der Beklagten beschäftigt. Frau A ist damit unstreitig sozial weniger schutzwürdig als die Klägerin.
Die Kunden der Beklagten, die die Dienstleistung der Abteilung ReBuSta in Anspruch nehmen, übersenden der Beklagten Belege in Papierform. Die darin enthaltenen Daten wurden von der Klägerin und ihrer Kollegin in den Computer eingegeben und zur weiteren Verarbeitung an ein Rechenzentrum weitergeleitet. Früher, drei Jahre vor Ausspruch der Kündigung, nahm nahezu jeder Kunde der Beklagten diese Leistung in Anspruch, wobei die Beklagte behauptet, es seien 200 Kunden gewesen und die Klägerin von 20 Kunden spricht. Zum Zeitpunkt des Zugangs der hier streitigen Kündigung waren es jedenfalls nur noch 5 Kunden. In der Zeit vor Ausspruch der Kündigung wurde die Beschäftigtenzahl von 40 auf 11 Mitarbeiter reduziert. Ganze Abteilungen sind geschlossen worden. Das Rechnungszentrum und das Mahnwesen wurden an Fremdfirmen vergeben.
Mit Schreiben vom 21.02.2005, also 5 Wochen vor der hier streitigen Kündigung, hat die Beklagte der Klägerin ein Änderungsangebot unterbreitet (Bl. 184), nach dem sowohl Arbeitszeit wie auch Arbeitsentgelt um die Hälfte zu reduzieren sei mit Wirkung ab dem 01.08.2005. Die Klägerin hat das Angebot abgelehnt. Der Vortrag der Beklagten, die Klägerin habe schon zu diesem Zeitpunkt ihre Entscheidung damit begründet, wegen ihres weit entfernten Wohnorts würden allein die Fahrtkosten ein um die Hälfte vermindertes Entgelt „auffressen”, ist erst in der Berufungsverhandlung von der Klägerin bestritten worden. Ein gleiches Angebot wurde der Kollegin der Klägerin, Frau A gemacht. Diese hat das Angebot nach Zugang der hier streitigen gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Kündigung angenommen.
Mit Schreiben vom 30.03.2005, der Klägerin zugegangen am gleichen Tag, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2005. In der Gütesitzung vor dem Arbeitsgericht erklärte die Klägerin zu Protokoll, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit einer reduzierten Arbeitszeit für sie keinesfalls in Betracht komme und begründete dies mit der langen Fahrtzeit von ihrem Wohnort in D zum Arbeitsplatz in T. Einen Vergleichsvorschlag des Vorsitzenden, zukünftig nur noch an drei Tagen zu arbeiten, lehnte die Klägerin ab.
Mit der seit dem 31.03.2005 anhängigen Klage hat sich die Klägerin gegen die ihr gegenüber ausgesprochene Kündigung gewandt.
Sie hat vorgetragen, nach ihrer Auffassung ergebe sich aus den Darlegungen der Beklagten, dass anstatt des ursprünglich bestehenden Beschäftigungsbedürfnisses in Höhe von zwei Vollzeitarbeitsplätzen nunmehr immerhin noch ein Beschäftigungsbedürfnis in Höhe eines Vollzeitarbeitsplatzes bestehe. Im Rahmen der Sozialauswahl habe ihr dieser Platz angeboten werden müssen. Dass nunmehr die Arbeit nur noch ¼ der ursprünglichen Menge umfassen solle, sei nicht nachvollziehbar. Noch mehrere Monate vor Ausspruch der hier streitigen Kündigung habe die Abteilung noch acht Kunden zu bearbeiten gehabt, nämlich die Kaufhäuser K, W, V, M, R, A und W. Damals seien sie und die Kollegin mit zwei Vollzeitstellen ausgelastete gewesen mit durchschnittlich 2 Mehrarbeitsstunden pro Woche. Die Kauhäuser K und W (mit zwei Filialen) hätten sodann ihre Aufträge gekündigt. Dabei habe es sich um kleine Aufträge gehandelt. Der Arbeitsaufwand habe sich dadurch nur geringfügig reduziert. Insbesondere für die Kunden V, M und R bestünden nach wie vor umfangreiche Aufträge. Dies entspreche einem Arbeitsaufwand von ca. 70 Stunden pro Woche, der von einer Arbeitskraft in Teilzeit nicht realistisch bewältigt werden könne. Soweit ...