Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Altersversorgung. Witwenrente. Halbwaisenrente. Allgemeiner Gleichheitsgrundsatz. Deutsche Welle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass ein Versorgungstarifvertrag die prozentuale Kürzung einer Witwenrente vorsieht, wenn und solange der oder die Anspruchsberechtige selbst noch Vergütung aus einem eigenen aktiven Arbeitsverhältnis bezieht.

2. Es verstößt jedoch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, dass gemäß § 13 Abs. 7 S. 1 VTV Dt. Welle 1981 die Witwenrente um 75 % gekürzt wird, solange der überlebende Ehegatte aufgrund eines Arbeitsverhältnisses von der Dt. Welle Vergütung bezieht, dass der VTV aber keinerlei Kürzung der Witwenrente vorsieht, wenn der überlebende Ehegatte Vergütung aus einem aktiven Arbeitsverhältnis von irgendeinem anderen Arbeitgeber erhält.

 

Normenkette

GG Art. 3 I; VersorgungsTV Deutsche Welle 1981 §§ 13-14, 17, 25, 29; TV Altersversorgung ARD 1997 § 1; MTV Deutsche Welle Ziff. 811

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Aktenzeichen 1 Ca 105/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.07.2011; Aktenzeichen 3 AZR 398/09)

 

Tenor

1) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 17.875,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.11.2007 nachzuzahlen.

2) Es wird festgestellt, dass der Klägerin zu 1) ab dem 1. Januar 2008 eine monatliche Witwenrente in Höhe von 1.276,81 EUR zusteht.

3) Die weitergehende Berufung der Klägerin zu 1) wird zurückgewiesen.

4) Die Berufung des Klägers zu 2) wird zurückgewiesen.

5) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 1) 2/9, der Kläger zu 2) 1/9 und die Beklagte 2/3.

Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) tragen die Beklagte 75 % und die Klägerin zu 1) 25 % selbst. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1) 2/9, der Kläger zu 2) 1/9 und die Beklagte selbst 2/3. Der Kläger zu 2) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

6) Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Höhe einer betrieblichen Witwen- bzw. Halbwaisenrente.

Die Klägerin zu 1) ist die Witwe des am 14.04.2005 verstorbenen H. H. R. H. H. R. war vom 14.07.1980 bis zum 01.03.2001 als leitender Redakteur bei der Beklagten beschäftigt. Zum 01.03.2001 trat H. H. R. in Ruhestand. In § 7 seines Anstellungsvertrages vom 27.06.1980 hatte die Beklagte ihm eine „Alters- Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung aufgrund des Versorgungstarifvertrages vom 01.08.1960 in der jeweils maßgebenden Fassung” zugesagt (Bl. 22 d. A.). An die Stelle der zum 01.08.1966 in Kraft getretenen Versorgungsordnung der Beklagten (Text Bl. 32 ff. d. A.) trat zum 01.07.1981 der Versorgungstarifvertrag vom 30.06.1981 (vgl. dessen § 25 Abs. 1 S. 2, Bl. 116 d. A.). Der Versorgungs-TV 1981 wurde auf Gewerkschaftsseite zunächst nur von der Deutschen Angestellten Gewerkschaft abgeschlossen, spätestens aber in der Fassung vom Dezember 1983 auch von den übrigen bei der Beklagten vertretenen Gewerkschaften mitunterzeichnet.

Vom Zeitpunkt seines Eintritts in den Ruhestand bis zu seinem Tod im April 2005 bezog H. H. R. eine nach Maßgabe des Versorgungstarifvertrages 1981 berechnete Betriebsrente in Höhe von 2.128,02 EUR.

Der am 08.09.1992 geborene Kläger zu 2) ist der gemeinsame Sohn des H. H. R. und der Klägerin zu 1). Die Klägerin zu 1) steht seit dem 01.02.1985 ebenfalls und weiterhin in einem aktiven Arbeitsverhältnis zur Beklagten als Sachbearbeiterin.

Gemäß § 13 Abs. 3 VTV 1981 steht der Witwe eines verstorbenen Betriebsrentners der Beklagten ein Witwengeld in Höhe von 60 % des betrieblichen Ruhegeldes des Verstorbenen zu. Solange der überlebende Ehegatte jedoch selbst aufgrund eines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten Vergütung bezieht, kürzt § 13 Abs. 7 Satz 1 VTV 1981 den Anspruch auf 25 % des Witwengeldes.

Dem Kläger zu 2) stand gemäß § 14 Abs. 2 VTV 1981 ein Halbwaisengeld in Höhe von 15 % des Ruhegeldes seines verstorbenen Vaters zu.

Seit dem 01.08.2005 zahlt die Beklagte demgemäß an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) jeweils 319,20 EUR als Witwen- bzw. Halbwaisenrente.

Erstmals mit Anwaltsschreiben vom 13.11.2007 (Bl. 5 f. d. A.) verlangte die Klägerin zu 1) eine Witwenrente in Höhe von 60 % der Rente ihres verstorbenen Ehemannes, der Kläger zu 2) eine Halbwaisenrente in Höhe von 20 % der Rente seines verstorbenen Vaters. Zur Begründung bezogen sich die Klägerin und der Kläger darauf, dass der Tarifvertrag Altersversorgung in der ARD vom 23.06.1997, der auch für nach dem 31.03.1993 begründete Arbeitsverhältnisse der Beklagten gilt, eine Halbwaisenrente in Höhe von 20 % vorsieht und eine Kürzung der Witwenrente für solche Anspruchsberechtigten, die in einem aktiven Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehen, nicht enthält.

Mit der vorliegenden, am 11.01.2008 beim Arbeitsgericht Bonn eingereichten Klage verfolgen die Klägerin zu 1) ihren Anspruch auf eine 60 %-ige Witwenrente sowie der Kläger zu 2) einen Anspruch auf eine 20%-ige Halbwais...

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