Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit des Widerrufs insolvenzgeschützter Betriebsrentenansprüche wegen wirtschaftlicher Notlage des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Die Abschaffung des bis zum 31.12.1998 im BetrAVG vorgesehenen Sicherungsfalls der Ersetzung von Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage hat zur Folge, dass eine Versorgungszusage nicht mehr wegen wirtschaftlicher Notlage (teilweise) widerrufen werden kann.
Normenkette
BetrAVG a.F. § 7
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 23.06.2016; Aktenzeichen 11 Ca 1040/16) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.06.2016 - 11 Ca 1040/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer zeitlich befristeten Kürzung der Betriebsrente.
Der am 1938 geborene Kläger bezieht von dem Beklagten seit dem 01.06.2003 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 1.653,37 € brutto. Die betriebliche Altersversorgung wird auf Grundlage der Pensionsordnung vom 01.01.1992 (PO 1992) gewährt. Die PO 1992 sieht u.a. in §12 (Pensionsordnung für leitende Angestellte) bzw. § 13 (Pensionsordnung für alle übrigen Mitarbeiter) vor, dass sich die Beklagte vorbehält, die Pensionszusage zu kürzen oder entfallen zu lassen, wenn die bei Erteilung der Pensionszusage maßgeblichen Verhältnisse sich nachträglich so wesentlich verändern, dass die Aufrechterhaltung der zugesagten Pensionsleistungen auch unter objektiver Betrachtung der Belange des Pensionsberechtigten der Beklagten nicht mehr zugemutet werden kann. Wegen der Einzelheiten der genannten Bestimmungen wird auf Bl. 46 ff. d.A. verwiesen.
Die Beklagte beschäftigte im Jahr 2015 ca. 500 Arbeitnehmer und leistet betriebliche Altersversorgungsleistungen an etwa 2.300 Betriebsrentner. Im Zuge einer Unternehmenssanierung teilte die Beklagte den Betriebsrentnern mit Schreiben vom 21.12.2015 mit, dass sie die Betriebsrentner an der Sanierung beteiligen wolle und daher die Betriebsrenten ab dem Januar 2016 befristet für vier Jahre einseitig um 15 Prozent kürze. Im Falle des Klägers bedeutet dies ab dem Januar 2016 eine Rentenminderung von 248,01 € monatlich.
Mit Urteil vom 23.06.2016 (Bl. 72 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht dem Kläger die Differenz zwischen den ursprünglich gezahlten Betriebsrentenbeträgen und den ausgezahlten Beträgen für den Zeitraum Januar 2016 bis Mai 2016 nebst Zinsen zuerkannt und die Beklagte verurteilt, an den Kläger ab Juni 2016 die ungekürzte Betriebsrente von 1.653,37 € zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Widerrufsvorbehalt in der PO 1992 sei unwirksam, denn nach dem Inkrafttreten des neuen Insolvenzrechts zum 01.01.1999 und dem damit verbundenen Wegfall des bisherigen Sicherungsfalls des Widerrufs einer Pensionszusage wegen wirtschaftlicher Notlage nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG a.F. sei ein einseitiger Widerruf insolvenzgeschützter Betriebsrentenansprüche durch den Arbeitgeber nicht mehr zulässig. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand, wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das ihr am 11.07.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.08.2016 Berufung eingelegt und diese am 12.09.2016 begründet.
Die Beklagte ist der Ansicht, aus den Gesetzgebungsmaterialien ergebe sich nicht, ob der Gesetzgeber die rechtliche Einschätzung der Bundesregierung, wonach das Widerrufsrecht wegen wirtschaftlicher Notlage künftig entfallen solle, oder des Bundesrates, wonach der genannte Sicherungsfall wegen der Insolvenzsicherung praktisch bedeutungslos sei, geteilt habe. Die geänderte Bestimmung beschränke sich darauf, die Einstandspflicht des Trägers der Insolvenzsicherung in Fällen des Widerrufs der Versorgungszusage wegen wirtschaftlicher Notlage zu beseitigen. Zudem handele es sich vorliegend lediglich um eine befristete Kürzung der Versorgungsleistungen. Die Beklagte habe auch keinen einklagbaren Rechtsanspruch auf Mitwirkung des Trägers der gesetzlichen Insolvenzsicherung an einem außergerichtlichen Vergleich. Im Falle der Nichteinigung drohe die Liquidation des Unternehmens. Zudem sei der Beklagten Vertrauensschutz zu gewähren, da sie sich nicht einseitig von gegebenen Versorgungszusagen lösen könne.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Köln, Az 11 Ca 1040/16, vom 23.06.2016 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts mit Rechtsausführungen unter Hinweis auf die Gesetzgebungsmaterialien. Der Gesetzgeber habe einen untrennbaren Zusammenhang zwischen der Berechtigung zum Widerruf bzw. zur Kürzung erdienter Anwartschaft und der Sicherung durch den Träger der Insolvenzsicherung gewollt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf ...