Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung beim Theater mangels Begründung. Keine formgerechte Anhörung durch die Aussage "Die Sicht des Theaters ist dargestellt"
Leitsatz (amtlich)
Der Satz "die Sicht des Theaters ist dargestellt" stellt keine Anhörung im Sinne des § 61 Abs. 4 NV Bühne dar.
Normenkette
ArbGG § 110; NV Bühne § 61; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 23.09.2020; Aktenzeichen 18 Ha 6/20) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Berufungsführerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.09.2020 – 18 Ha 6/20 – wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung hat die Berufungsführerin zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Aufhebungsklage über die Wirksamkeit einer Nichtverlängerungsmitteilung vom 29.06.2018 nach § 61 NV Bühne. Dabei streiten die Parteien insbesondere um die Frage, ob der im Anhörungstermin geäußerte Satz der Arbeitgeberin „Die Sicht des Theaters ist dargestellt“ als Mitteilung der Nichtverlängerungsgründe nach § 61 Abs. 4 NV Bühne ausreichen kann.
Der Aufhebungsbeklagte ist am 1968 geboren, hatte also zum Zeitpunkt der hier streitigen Nichtverlängerungsmitteilung das 49. Lebensjahr vollendet. Seit dem 19.08.2004, bezogen auf den Zeitpunkt der streitigen Nichtverlängerungsmitteilung also seit gut 14 Jahren, ist der Beklagte als Schauspieler bei der Aufhebungsklägerin beschäftigt und erhielt dafür zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.900,00 EUR. Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Tarifvertrag NV Bühne. Deshalb war für den vorliegenden Rechtsstreit gemäß § 1 Abs. 1 der BSchGO zunächst die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit zuständig. Die streitentscheidende tarifliche Regelung lautet auszugsweise wie folgt:
§ 61 Nichtverlängerungsmitteilung – Solo
(1) Das Arbeitsverhältnis endet mit dem im Arbeitsvertrag vereinbarten Zeitpunkt.
(2) Ein mindestens für ein Jahr (Spielzeit) abgeschlossener Arbeitsvertrag verlängert sich zu den gleichen Bedingungen um ein Jahr (Spielzeit), es sei denn, eine Vertragspartei teilt der anderen bis zum 31. Oktober der Spielzeit, mit deren Ablauf der Arbeitsvertrag endet, schriftlich mit, dass sie nicht beabsichtigt, den Arbeitsvertrag zu verlängern (Nichtverlängerungsmitteilung). Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit ununterbrochen mehr als acht Jahre (Spielzeiten), muss die Nichtverlängerungsmitteilung der anderen Vertragspartei bis zum 31. Juli der jeweils vorangegangenen Spielzeit schriftlich zugegangen sein. […]
(3) Besteht das Arbeitsverhältnis am Ende einer Spielzeit bei derselben Bühne ununterbrochen mehr als fünfzehn Jahre (Spielzeiten), kann der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung nach Absatz 2 nur aussprechen, um das Arbeitsverhältnis unter anderen Vertragsbedingungen – auch außerhalb der im Arbeitsvertrag angegebenen Bühne(n) (ein Arbeitgeber in selbständiger Rechtsform auch bei seinem oder einem seiner rechtlichen oder wirtschaftlichen Träger) – fortzusetzen.
[…]
(4) Bevor der Arbeitgeber eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspricht, hat er das Solomitglied zu hören. Das Solomitglied ist fünf Tage vor der Anhörung zur Anhörung schriftlich einzuladen. Die Einladung zur Anhörung gilt als ordnungsgemäß zugestellt, wenn der Arbeitgeber nachweist, dass die Absendung der Einladung fünf Tage vor der Anhörung an die dem Arbeitgeber bekannte Adresse erfolgt ist.
Auf schriftlichen Wunsch des Solomitglieds ist ein an der Bühne beschäftigter Arbeitnehmer und/oder ein Vertreter der satzungsmäßigen Organe der vertragsschließenden Gewerkschaften berechtigt, an dem Anhörungsgespräch teilzunehmen und gehört zu werden.
Auf Seiten des Arbeitgebers dürfen auch Vertreter seines wirtschaftlichen Trägers teilnehmen.
Darüber hinaus gehende gesetzliche und anderweitig zwingende Beteiligungsrechte bleiben unberührt.
(5) […] Unterlässt es der Arbeitgeber, das Solomitglied fristgerecht zu hören, ist die Nichtverlängerungsmitteilung unwirksam.
[…]
(8) Klagen gegen Nichtverlängerungsmitteilungen sind innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Monaten nach den in Absatz 2 genannten Terminen zur Nichtverlängerungsmitteilung zu erheben.
[…]
Die einschlägigen Vorschriften der Bühnenschiedsgerichtsordnung lauten wie folgt:
§ 1 Geltungsbereich
(1) Über bürgerliche Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes zwischen Theaterveranstaltern und Bühnenmitgliedern entscheiden unter Ausschluss der Arbeitsgerichtsbarkeit ständige Schiedsgerichte.
(2) Bühnenmitglieder im Sinne dieses Tarifvertrages sind die auf Normalvertrag Bühne beschäftigten Mitglieder.
(3) Bühnenmitglied im Sinne dieses Tarifvertrages ist nicht der Bühnenleiter (Intendant).
(4) Dieser Tarifvertrag gilt für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.
[…]
§ 38 Aufhebung des Schiedsspruchs
Gegen einen rechtskräftigen Schiedsspruch ist die Klage auf Aufhebung nach § 110 des Arbeitsgerichtsgesetzes, und zwar ausschließlich b...