Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung im Kleinbetrieb unter Berücksichtigung des Maßregelungsverbots nach § 612a BGB
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zur Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung im Kleinbetrieb unter Berücksichtigung des Maßregelungsverbots nach § 612a BGB
Normenkette
BGB § 612a
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 08.11.2022; Aktenzeichen 4 Ca 4242/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 08.11.2022 - 4 Ca 4242/22 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung im Kleinbetrieb.
Die Beklagte betreibt eine Zahnarztpraxis und beschäftigt dort nicht regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 01.06.2019 als Zahnmedizinische Fachangestellte beschäftigt und erzielte zuletzt eine monatliche Bruttovergütung iHv. 2.700,00 Euro.
Im Team der Zahnarztpraxis gab es Konflikte, insbesondere zwischen der Klägerin und einer anderen Arbeitnehmerin der Beklagten. Die genauen Ursachen hierfür sind zwischen den Parteien streitig.
In der Zeit vom 16.05.2022 bis zum 27.05.2022 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Hierzu reichte die Klägerin eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten ein. Der letzte Tag der attestierten Arbeitsunfähigkeit fiel auf einen Freitag.
An dem auf das sodann arbeitsfreie Wochenende folgenden Montag dem 30.05.2022 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten erneut krank und übermittelte per WhatsApp ein Foto einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Im Anschluss hieran kam es zu einem Telefongespräch zwischen den Parteien, dessen genauer Inhalt streitig ist.
Mit Schreiben ebenfalls vom 30.05.2022, der Klägerin noch am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.06.2022.
Mit ihrer am 20.06.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Kündigung gewendet.
Die Klägerin ist der Auffassung gewesen, die Kündigung verstoße gegen das in § 612a BGB normierte Maßregelungsverbot und sei damit unwirksam. Die Kündigung sei nur ausgesprochen worden, da sie mit ihrer Krankschreibung ein ihr zustehendes Recht ausgeübt habe. Die Klägerin hat hierzu behauptet, die Beklagte habe sie in dem Telefonat am 30.05.2022 zur Rede gestellt und sie aufgefordert, Auskunft über ihre Erkrankung zu geben. Nach einem Hinweis darauf, dass sie hierzu nicht verpflichtet sei, habe es Streit gegeben. Die Beklagte habe ausgeführt, sie bezweifele, dass die Klägerin arbeitsunfähig sei, und werde sie wegen ihres Fernbleibens von der Arbeit kündigen. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, dass es im Team Konflikte gegeben habe, sei dies zwar zutreffend. Zu beachten sei aber, dass die anderen Beschäftigten bewusst nach Fehlern der Klägerin gesucht hätten und sich die Beklagte nie schützend vor die Klägerin gestellt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.05.2022 zum 30.06.2022 aufgelöst worden ist;
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.05.2022 zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, die Krankheit der Klägerin sei nicht ursächlich für die Kündigung gewesen. Vielmehr sei die Kündigung ausgesprochen worden, da es bereits seit 2020 Konflikte im Team der Praxis gegeben habe. Die übrigen Beschäftigten hätten der Klägerin hierbei u.a. eine mangelnde Einhaltung der Hygieneregeln vorgeworfen, da sie den Behandlungsplatz nie ausreichend gereinigt habe. Sie (die Beklagte) habe immer versucht zu vermitteln und sich schützend vor die Klägerin zu stellen. Auch Anpassungen von Arbeitszeiten der Klägerin und eine Gehaltserhöhung seien erfolgt. Zuletzt habe die Klägerin zur Vermeidung von Konflikten lediglich noch Zahnreinigungen durchgeführt, um nicht mehr im Team mit anderen Kolleginnen arbeiten zu müssen. Die Konflikte hätten jedoch fortgedauert. In dem Telefonat am 30.05.2022 habe sie die Klägerin nicht aufgefordert, zu ihrer konkreten Erkrankung Auskunft zu geben. Sie habe lediglich gefragt, was denn los sei. Hintergrund der Nachfrage sei auch ein vorheriger Gesprächswunsch der Klägerin gewesen. Das Gespräch sei dann leider tatsächlich eskaliert und die Klägerin habe der Beklagten unberechtigte Vorwürfe zu angeblichen betrügerischen Abrechnungsvorgängen gemacht. Daher habe sie sich zur Kündigung entschlossen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.11.2022 abgewiesen. Die Kündigung verstoße nicht gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB mit der Folge der Nichtigkeit nach § 134 BGB. Allein die unstreitige Tatsache, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Künd...