Entscheidungsstichwort (Thema)
Freistellung. Vorfeiertag. Zeitausgleich. Gleichbehandlung. Entgeltfortzahlung. Annahmeverzug. Teilzeit
Leitsatz (amtlich)
1. Tarifvertragsparteien kommt bei der Vereinbarung von Tarifverträgen ein durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützter Entscheidungsspielraum zu, der lediglich willkürliche Regelungen ausschließt (hier. Berechnung einer Zeitgutschrift für eine kraft tariflicher Freistellungsregelung ausgefallenen Schicht).
2. Die sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung richtet sich maßgeblich nach dem Leistungszweck.
3. Annahmeverzugsansprüche kommen nicht in Betracht, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtwirksam von der Arbeitspflicht freigestellt hat.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; TzBfG § 4 Abs. 1; BGB § 615; EFZG § 2 Abs. 1; Manteltarifvertrag Deutsche Lufthansa AG § 11
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 23.03.2006; Aktenzeichen 1 Ca 9151/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 23.03.2006 – 1 Ca 9151/05 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gewährung von Freitzeitausgleich für Arbeitsausfall an Tagen vor Weihnachten und Neujahr.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.09.1973 als Flightmanagerin mit einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 1.887,19 EUR beschäftigt. Ihre durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit betrug zuletzt im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung 18,75 Stunden. Die Klägerin arbeitet im sogenannten Job-Sharing-Modell in jeweils vollen Schichten, also immer blockweise an ganzen Arbeitstagen. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag für das Bodenpersonal bei der D L Anwendung
Der vorgenannte Manteltarifvertrag Nummer 14 für das Bodenpersonal vom 01.10.1992 in der Fassung vom 12.05.2005 (MTV) enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
„§ 11 Abs. 1 MTV:
An den Tagen vor Weihnachten und Neujahr wird, wenn die Verhältnisse des Betriebes es zulassen, ab 12:00 Uhr unter Fortzahlung der Vergütung Arbeitsbefreiung gewährt.
§ 23 Abs. 3 MTV:
Sonntags- und Feiertagsarbeit ist die tatsächlich geleistete Arbeitszeit zwischen 0:00 Uhr und 24:00 Uhr an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen.
Wenn die Sonntagsarbeit vor 24:00 Uhr aufgenommen wurde, gilt als Sonntagsarbeit auch die Arbeit in der Zeit von 0:00 Uhr bis 04:00 Uhr des auf den Sonntag folgenden Tages.
Feiertagsarbeit im Schichtdienst beginnt mit dem Beginn der Frühschicht und endet mit dem Beginn der Frühschicht des darauf folgenden Tages.
Protokollnotiz X zum Manteltarifvertrag Nummer 14:
Fehlzeitenberechnung/Zeitkonto
(1) Mitarbeiter, die planmäßig im Durchschnitt an fünf Arbeitstagen und weniger pro Woche arbeiten, erhalten für jeden Abwesenheitstag unter Fortzahlung der Vergütung – ausgenommen Abwesenheitszeiten gemäß § 27 (Krankheit) und wegen gesetzlich oder behördlich festgesetzter Feiertage – eine Zeitgutschrift in Höhe der Stunden, die der durchschnittlichen täglichen Grundarbeitszeit in der 5-Tage-Woche entspricht.
(2) In Höhe der Zeitdifferenz soll zu den an den jeweiligen Abwesenheitstagen im Sinne des Absatzes 1 planmäßig vorgesehenen Arbeitszeiten eine Verrechnung (Zeitkonto) mit folgenden be- bzw. entstehenden Freizeitguthaben vorgenommen werden: Plusstunden aus Gleitzeit im Schichtbetrieb, Reisestunden, Rufbereitschaft, Überarbeit (§ 9), schichtfreie Wochenfeiertage (§ 11 Abs. 4), Arbeit an Vorfesttagen (§ 11 Abs. 2), Arbeit an Feiertagen (§ 11 Abs. 3), Zusatzurlaub (§ 33).
Eine Rangfolge kann durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden.
Satz 1 gilt entsprechend für die Verrechnung von Freizeitguthaben mit be- bzw. entstehenden Zeitdifferenzen im Sinne des Absatzes 1 während des Zeitraumes, in dem der jeweilige Freizeitausgleich zu gewähren ist (§§ 9 und 11).
…”
Die Klägerin war schichtplanmäßig für die Nachtschicht des 31.12.2004 auf den 01.01.2005 von 20:45 Uhr bis 05:15 Uhr eingeteilt. Aufgrund der vorgenannten Tarifregelung wurde sie von der Arbeitsleistung freigestellt. Sie erhielt hierfür eine Zeitgutschrift auf ihrem Zeitkonto in Höhe von 3,75 Stunden.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr für diese Arbeitsfreistellung insgesamt 8 Stunden auf ihrem Zeitkonto gutzuschreiben. Dies folge zum einen aus einer früheren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.08.2002 (5 AZR 417/01), die den Arbeitsausfall an einem Feiertag betrifft. Im Übrigen hat sie sich in unzulässiger Weise benachteiligt gefühlt und gemeint, die geringe Zeitgutschrift stelle einen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 TzBfG dar. Sie werde nämlich durch die vorstehende Handhabung der Beklagten als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin wegen der Teilzeit schlechter behandelt als vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die für die gleiche Schicht 8 Stunden auf ihrem Zeitkonto gutgeschrieben...