Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertrag. Verbandsaustritt. verlängerte Tarifgebundenheit. Nachwirkung
Leitsatz (amtlich)
1. Nach dem Verbandaustritt des Arbeitgebers führt die Vereinbarung der Tarifvertragsparteien, die Mindestlaufzeit eines Tarifvertrages um einen erheblichen Zeitraum (hier um 41 Monate) zu verlängern, zum Ende der verlängerten Tarifgebundenheit i. S. v. § 3 Abs. 3 TVG.
2. Unterschreibt der Arbeitnehmer einen vom Arbeitgeber entworfenen Vertragstext, der inhaltliche Abweichungen von einem gemäß § 4 Abs. 5 TVG nachwirkenden Tarifvertrag enthält, so kommt eine „andere Abmachung” i. S. v. § 4 Abs. 5 TVG zustande, die insoweit zum Ende der Tarifnachwirkung führt. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer in einem Begleitschreiben den Vorbehalt einer „rechtlichen Überprüfung” erhebt, ohne jedoch deutlich zu machen, dass er den Vertrag nur mit tarifkonformem Inhalt zustande kommen lassen will.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 3, § 4 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 28.04.2005; Aktenzeichen 1 Ca 12491/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28.04.2005 in Sachen 1 Ca 12491/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, in welcher Höhe der Klägerin die in § 6 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Altersteilzeitvertrages geregelten Leistungen zustehen.
Wegen des Sach- und Streitstandes I. Instanz, wegen der erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Sachanträge und wegen der Gründe, die die 1. Kammer des Arbeitsgerichts Köln dazu bewogen haben, die Klage abzuweisen, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils vom 28.04.2005 Bezug genommen.
Das arbeitsgerichtliche Urteil wurde der Klägerin am 01.06.2005 zugestellt. Die Klägerin hat hiergegen am 17.06.2005 Berufung einlegen und diese – nach Verlängerung der Frist bis zum 01.09.2005 – am 01.09.2005 begründen lassen.
Die Klägerin meint, das Arbeitsgericht habe bei seiner Entscheidung die Rechtslage verkannt. Die von den Tarifvertragsparteien am 04.07.2003 vereinbarte Verlängerung der Mindestlaufzeit des TV Altersteilzeit habe die auf § 3 Absatz 3 TVG beruhende tarifliche Nachbindung der Beklagten nicht beendet. Dies gelte um so mehr, als zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Altersteilzeitvertrages vom 30.07.2004 die ursprüngliche Mindestlaufzeit des Tarifvertrages noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Zumindest habe aber noch die Tarifbindung aus Nachwirkung gemäß § 4 Absatz 5 TVG bestanden. Der Altersteilzeitvertrag vom 30.07.2004 stelle keine „andere Abmachung” dar, die die Nachwirkung aus § 4 Absatz 5 TVG hätte aufheben können. Aus ihrem Begleitschreiben zum Altersteilzeitvertrag vom 30.07.2004 habe die Beklagte ersehen können, dass sie, die Klägerin, den Altersteilzeitvertrag nur unter der Bedingung habe abschließen wollen, dass die in § 6 des Vertrages erwähnten Aufstockungsleistungen in derjenigen Höhe zu erbringen sei, wie sie in §§ 5 Absatz 3, 6 TV Altersteilzeit vorgesehen sind. Sie, die Klägerin habe somit ein neues, geändertes Vertragsangebot unterbreitet, welches die Beklagte durch ihre Unterschrift unter der Vertragsurkunde angenommen habe.
Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt nunmehr,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 28.04.2005 – 1 Ca 12491/04 –, nach den Schlussanträgen der Klägerin I. Instanz zu entscheiden mit der Maßgabe, dass Zinsen jeweils in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen sind.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte verteidigt das Ergebnis und die Begründung des arbeitsgerichtlichen Urteils mit Rechtsausführungen. Insbesondere macht sie geltend, dass die Klägerin den ursprünglichen Vertragstext des Altersteilzeitvertrages ohne Änderungen und ohne Hinweis auf irgendwelche Vorbehalte oder Einschränkungen unterzeichnet habe. Auch unter Hinzunahme des Begleitschreibens sei bei einer Gesamtwertung ein abgeändertes Vertragsangebot nicht zu erkennen, zumal die Klägerin gewusst habe, dass die Beklagte einer individualvertraglichen Vereinbarung der Inhalte der §§ 5 Absatz 3, 6 TV Altersteilzeit niemals zugestimmt hätte. Sie, die Beklagte, habe das Begleitschreiben nur so verstehen können, dass die Klägerin sich einerseits mit dem vorgelegten Vertragsentwurf einverstanden erklärte, andererseits aber eine rechtliche Überprüfung einer eventuell Kraft Gesetzes bestehenden Tarifbindung vorbehalten wollte.
Auf den vollständigen Inhalt der Berufungsbegründungs- und der Berufungserwiderungsschrift wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Absatz 2 Buchstabe b) ArbGG statthaft und wurde im Rahmen der in § 66 Absatz 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet.
II. Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Ans...