Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezugnahmeklausel. Auslegung. Betriebsübergang. Tarifsukzession. Tarifwechselklausel. Günstigkeitsprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine arbeitsvertragliche Klausel, wonach „die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundespost in ihrer jeweiligen Fassung als vereinbart gelten” ist dahin auszulegen, dass die nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost zwischen der Deutschen Telekom AG als Rechtsnachfolgerin im Kommunikationsbereich und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossenen Tarifverträge Anwendung finden.

2. Dagegen verweist die Bezugnahmeklausel nicht auf die Bestimmungen in Firmentarifverträgen, die ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom AG, das im Zuge der Konzernaufgliederung nach § 613 a BGB in das Arbeitsverhältnis eingetreten ist, mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hat.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157, 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Bonn (Urteil vom 23.07.2008; Aktenzeichen 4 Ca 626/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.07.2011; Aktenzeichen 4 AZR 494/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 23.07.2008 – 4 Ca 626/08 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Tarifwerk der D. T. AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 weiter auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

Der Kläger, der Mitglied der Gewerkschaft v ist, war aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 29. August 1975 mit Ergänzungen vom 26. September 1977, 17. November 1981, 14. August 1991, 30. Oktober 2000, 19. November 2002 und 3. November 2004 bei der D. T. AG bzw. deren Rechtsvorgängerin, der D B, als Vollzeitbeschäftigter tätig.

In dem Arbeitsvertrag ist u. a. bestimmt:

„Die Bestimmungen des Tarifvertrages für die Arbeiter der D. B. gelten in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.”

Im Jahr 1990 entstanden im Zuge der Postreform I. aus der D. B. drei öffentliche Unternehmen, u. a. die D. B. T., in deren Geschäftsbereich der Kläger tätig war.

Mit der Privatisierung dieser Unternehmen durch die Postreform II wurde zum 1. Januar 1995 durch § 21 Postpersonalrechtsgesetz die Überleitung der Arbeitsverhältnisse von dem Unternehmen D. B. T. auf die D. T. AG und die Weitergeltung der Tarifverträge der D. B. bis zum Abschluss neuer Tarifverträge geregelt.

In der Folgezeit vereinbarte die D. T. AG mit der Gewerkschaft v Verbesserungen der nach dem TV Arb geltenden Arbeits- und Entgeltbedingungen, die Einführung eines neues Entgeltsystems NBBS mit Wirkung zum 1. Juli 2001 und im Jahr 2004 eine Absenkung der Regelarbeitszeit bei nur teilweisem Lohnausgleich. Soweit das Arbeitsverhältnis des Klägers dem Geltungsbereich der Tarifänderungen unterfiel, wurden sie mit seinem Einverständnis umgesetzt.

Aufgrund eines Betriebsübergangs trat die Beklagte am 25. Juni 2007 in das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der D. T. AG gemäß § 613 a BGB ein. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht.

Die Beklagte schloss unter dem 24. Juni 2007 mit der Gewerkschaft v Firmentarifverträge ab, die von den Tarifverträgen der D. T. AG u. a. bei der Arbeitszeit und beim Entgelt zu Lasten der Arbeitnehmer abweichen.

Während der Kläger die Ansicht vertritt, aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel fänden die Tarifverträge der D. T. AG mit Tarifstand 24. Juni 2007 auch nach dem Betriebsübergang weiter Anwendung, ist die Beklagte der Meinung, es seien ausschließlich die Bestimmungen der von ihr abgeschlossenen Firmentarifverträge anzuwenden.

Das Arbeitsgericht Bonn hat durch Urteil vom 23. Juli 2008 der Klage auf Feststellung, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge der D. T. AG (Tarifstand 24. Juni 2007) Anwendung finden, stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei der Regelung im Arbeitsvertrag aus dem Jahr 1975 handle es sich um eine sog. kleine dynamische Bezugnahmekklausel. Dagegen handle es sich nicht um eine Tarifwechselklausel. Aus Gründen des Vertrauensschutzes sei sie als vertragliche Gleichstellungsabrede auszulegen, die unabhängig davon gelte, welche Tarifverträge normativ auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fänden. Aufgrund der Gleichstellungsabrede seien nichtorganisierte Arbeitnehmer und Gewerkschaftsmitglieder gleich zu behandeln. Sie bedeute nicht, dass die durch Betriebsübergang übernommenen Arbeitnehmer mit den beim Erwerber bereits beschäftigten Arbeitnehmern gleichzustellen seien. Der Kläger handle auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er die Anwendbarkeit des Tarifwerks der D. T. AG mit dem zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs gegebenen Tarifstand geltend mache.

Das Urteil ist der Beklagten am 29. Juli 2008 zugestellt worden. Sie hat hiergegen am 14. August 2008 Berufung einlegen und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Oktober 2008 – am 28. Oktober 2008 begründen lassen.

Die Beklagte ist der Ansicht, di...

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