Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Berufsunfähigkeitsrente. teilweise Erwerbsminderung
Leitsatz (amtlich)
1.) Der in älteren Betriebsrentenordnungen aus der Zeit vor dem 1.1.01 in bewusster Anlehnung an das damals geltende Sozialversicherungsrecht normierte Versorgungsfall der „Berufsunfähigkeit” kann nicht mit dem seit dem 1.1.2001 etablierten sozialversicherungsrechtlichen Begriff der „teilweisen Erwerbsminderung” gleichgesetzt werden.
2.) Sieht die aus der Zeit vor dem 1.1.2001 stammende Betriebsrentenordnung vor, dass die betriebliche Berufsunfähigkeitsrente nur gezahlt wird, wenn und solange der gesetzliche Rentenversicherungsträger dem betroffenen Arbeitnehmer eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente zahlt, ist der betriebliche Versorgungsfall „Berufsunfähigkeit” mit dem Wegfall des Instituts der gesetzlichen Berufsunfähigkeitsrente im Zweifel obsolet geworden. Die dadurch entstandene Lücke in der Betriebsrentenordnung kann vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls auch nicht durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden.
Normenkette
BetrAVG § 1; SGB VI § 43
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 24.03.2009; Aktenzeichen 16 Ca 9037/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.03.2009 in Sachen 16 Ca 9037/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob der Klägerin im Zeitraum vom 01.04.bis 30.09.2008 eine Betriebsrente zustand.
Die am 10.02.1954 geborene Klägerin ist gelernte Verkäuferin. Sie stand vom 23.05.1977 bis zum 31.12.2007 als Mitarbeiterin der Anzeigenbuchhaltung in den Diensten der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete gemäß § 1 a KSchG aufgrund einer betriebsbedingten arbeitgeberseitigen Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung.
Der Klägerin war eine Versorgungszusage nach Maßgabe der Ruhegeldordnung Nr. 1 vom 30.12.1985 erteilt worden. Auf den vollständigen Wortlaut der Ruhegeldordnung (Bl. 5 ff. d. A.) wird Bezug genommen. § 8 Abs.1 der Ruhegeldordnung Nr. 1 hat folgenden Wortlaut:
„§8 Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente
(1) Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente wird für die Dauer der festgestellten Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sowie der Rentenzahlung durch den Rentenversicherungsträger nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewährt.”
Die Klägerin leidet unter chronischer Polyarthritis.
Für die Zeit vom 01.04.bis 30.09.2008 wurde der Klägerin von der Deutschen Rentenversicherung eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zugebilligt (Rentenbescheid Bl. 13 ff. d. A.). Seit dem 01.10.2008 erhält die Klägerin eine gesetzliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Für die Zeit ab 01.10.2008 gewährt die Beklagte der Klägerin auch eine Betriebsrente auf der Basis von § 8 Abs. 1 der Ruhegeldordnung in Höhe von 410,00 EUR monatlich.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr eine Betriebsrente in Höhe von 50 % des ab 01.10.2008 gezahlten Betrages auch schon für die Zeit vom 01.04.bis 30.09.2008 zugestanden habe. Ihr, der Klägerin, stehe für diese Zeit die in § 8 Abs. 1 der Ruhegeldordnung erwähnte Berufsunfähigkeitsrente zu, da sie in dieser Zeit Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezogen habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.230,00 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 205,00 EUR netto seit 01.05.2008, aus weiteren 205,00 EUR netto seit 01.06.2008, aus weiteren 205,00 EUR netto seit 01.07.2008, aus weiteren 205,00 EUR netto seit 01.08.2008, aus weiteren 205,00 EUR netto seit 01.09.2008 und aus weiteren 205,00 EUR netto seit 01.10.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass § 8 der Ruhegeldordnung keinen Anspruch auf Betriebsrente bei teilweiser Erwerbsminderung vorsehe. Ein solcher Anspruch könne auch im Wege der Auslegung der Ruhegeldordnung nicht entnommen werden. Die Ruhegeldordnung zeige, dass Betriebsrenten in allen Fällen erst mit der Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zu zahlen seien. Eine teilweise Erwerbsminderung führe aber regelmäßig nicht zum Ausscheiden aus dem Dienst. Auch im vorliegenden Fall sei die teilweise Erwerbsminderung nicht der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewesen.
Mit am 24.03.2009 verkündetem Urteil hat die 16. Kammer des Arbeitsgerichts Köln die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin erst nach Ablauf der am 24.08.2009 erreichten so genannten 5-Monats-Frist des § 66 Abs. 1 ArbGG zugestellt. Die Berufung der Klägerin gegen das arbeitsgerichtliche Urteil ist am 23.09.2009 beim Berufungsgericht eingegangen und wurde nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 23.11.2009 ...