Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche einer wegen zu geringer Körpergröße abgewiesenen Bewerberin für die Ausbildung zur Flugzeugführerin
Leitsatz (redaktionell)
1. Ansprüche nach dem AGG sind stets gegen den potentiellen Arbeitgeber zu richten, der die Stelle ausgeschrieben und Bewerbungen dafür erbeten hat.
2. Ansprüche gegen Personalvermittler bestehen selbst dann nicht, wenn diese die endgültige Auswahl in alleiniger Verantwortung durchführen.
3. Die Anforderung einer Mindestkörpergröße von 1,65m für die Ausbildung zum Flugzeugführer stellt eine mittelbare Diskriminierung dar, da weitaus mehr Frauen als Männer diese Körpergröße nicht erreichen.
4. Eine solche Anforderung ist auch nicht durch Erfordernisse der Flugsicherheit gerechtfertigt, da nicht ersichtlich ist, dass die Körpergröße des Flugzeugführers hierfür von entscheidender Bedeutung ist. Dies wird auch dadurch verdeutlicht, dass andere Fluggesellschaften Bewerber/innen mit geringerer Körpergröße einstellen.
5. Die in der Diskriminierung liegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts rechtfertigt keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Kosten der entgangenen Ausbildung.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1; AGG § 15 Abs. 2, § 3 Abs. 2, § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 28. November 2013- 15 Ca 3879/13 - wird gegenüber der Beklagten zu 1) als unbegründet zurückgewiesen und gegenüber der Beklagten zu 2) als unzulässig verworfen.
- Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
- Die Revision wird für die Klägerin insoweit zugelassen, als die Berufung gegenüber der Beklagten zu 1) zurückgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht Schadenersatz und eine Entschädigung wegen einer von ihr angenommenen Diskriminierung wegen ihres Geschlechts im Auswahlverfahren geltend.
Die Beklagte zu 1) ist ein großes deutsches Luftverkehrsunternehmen. Die Beklagte zu 2) ist eine Tochtergesellschaft der Beklagten zu 1). Das Auswahlverfahren für die Ausbildung von Flugzeugführern führt die Beklagte zu 1) durch, während die Beklagte zu 2) mit erfolgreichen Bewerbern einen Schulungsvertrag abschließt und die Schulung vornimmt.
Die Kosten der Schulung betragen mindestens 180.000 EUR. Die Flugschüler müssen einen Eigenanteil in Höhe von 60.000 EUR tragen. Hierfür wird mit der Beklagten zu 1) ein Darlehensvertrag abgeschlossen. Die übrigen Kosten trägt die Beklagte zu 1). Eine Vergütung erhalten die Schüler nicht. Die abschließende Prüfung wird von ca. 10 % der Kandidaten nicht bestanden.
Die Beklagte zu 1) ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Luftverkehr (AGVL). Dieser und die G GmbH verständigten sich am 29. Juni 2011 mit der Vereinigung Cockpit e. V. (VC) auf den Tarifvertrag Anforderungsprofile und Auswahlrichtlinien für die personelle Auswahl von Verkehrsflugzeugführern (Bl. 360 ff. d.A.). Der Tarifvertrag verlangt als "personenbezogene Einstellungsvoraussetzung vor Schulungsbeginn" eine Körpergröße zwischen 1,65 m und 1,98 m. Dieselbe Mindestgröße sieht die "Betriebsvereinbarung Auswahlrichtlinien" vor, welche die Beklagte zu 1) am 7. März 2003 mit der Gesamtpersonalvertretung abgeschlossen hat.
Die Klägerin ist 161,5 cm groß. Sie bewarb sich bei der Beklagten zu 1) um eine Ausbildung zur Verkehrsflugzeugführerin. Dabei gab sie wahrheitswidrig an, sie sei 165 cm groß.
Am 16. Mai 2012 teilte die Beklagte zu 1) der Klägerin mit, dass sie die am 15. Mai 2012 durchgeführte Berufsgrunduntersuchung bestanden habe. Die Klägerin wurde zur Firmenqualifikation eingeladen.
Die Klägerin bestand auch die Firmenqualifikation. Die Beklagte zu 1) wies die Klägerin mit Schreiben vom 24. Oktober 2012 darauf hin, dass nun nur noch die medizinische Tauglichkeitsuntersuchung ausstehe.
Diese fand am 23. November 2012 statt. Dabei wurde eine Körpergröße von 161,5 cm gemessen. Der Klägerin wurde darüber unterrichtet, dass noch die Abklärung bestimmter Laborwerte erforderlich sei. Ob der untersuchende Arzt des A M C der Beklagten zu 1) Prof. Dr. S gegenüber der Klägerin zudem mündlich erklärte, dass ihre Bewerbung wegen ihrer Körpergröße abschlägig beschieden werde, ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin erhielt aufgrund der Untersuchung das Tauglichkeitszeugnis für die Klasse 1 nach § 24 a Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung.
Der Medizinische Dienst der Beklagten zu 1) bat die Klägerin unter dem 27. November 2012 um eine Kontrolluntersuchung bezüglich eines Laborwertes. Die Klägerin legte am 6. Dezember 2012 eine ärztliche Bescheinigung vor.
Die Beklagte zu 1) teilte der Klägerin durch Prof. Dr. S mit Schreiben vom 12. Dezember 2012, welches sie am 24. Dezember 2012 erhielt, mit, dass sie die vorgegebene Mindestgröße von 1,65 m nicht erreiche und ihr aus diesem Grund die tauglichkeit nicht erteilt werden könne.
Mit Schreiben vom 15. Februar 2013 an die Beklagten, welche am 20. bzw. 19. Februar...