Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erschütterung des Beweiswertes einer sich anschließenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch kurz zuvor erteilte Abmahnung. Umfang der Darlegungslast hinsichtlich nicht erbrachter Arbeitsleistung beim Arbeitgeber bei GPS-Überwachung. Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 628 Abs. 2 BGB bei nicht gezahltem Lohn für zwei Monate
Leitsatz (amtlich)
1. Die bloße Tatsache, dass eine Arbeitsunfähigkeit kurze Zeit nach Erteilung einer Abmahnung begonnen hat, ist nicht geeignet, den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erschüttern.
2. Haben die Parteien im Arbeitsvertrag eine GPS-Überwachung zur "Kilometer- und Arbeitszeitdokumentation" vereinbart, ist es am Arbeitgeber, seine Behauptung, der Kläger habe nicht gearbeitet, unter Zurhilfenahme dieser Daten zu konkretisieren. Ein bloßes Bestreiten der Arbeitsleistung reicht nicht.
3. Der Schadensersatzanspruch aus § 628 Abs. 2 BGB stellt üblicherweise eine Kombination aus Ersatz des aufgrund der fristlosen Kündigung entgangenen Entgelts und einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsverhältnisses dar. Dabei besteht kein Anlass, bei einer groben Vertragspflichtverletzung des Arbeitgebers, die Abfindung auf die Hälfte des regelmäßigen Monatsbruttoentgelts pro Beschäftigungsjahr zu beschränken.
Normenkette
BGB §§ 826, 611 a; EFZG § 3; SGB V § 275; BGB § 394; ZPO § 850 c; KSchG §§ 9-10; HGB § 74 b; BUrlG § 7 Abs. 4; ArbGG § 72 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 14.10.2019; Aktenzeichen 4 Ca 471/18) |
Tenor
I.
Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.10.2019- 4 Ca 471/18 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Arbeitsentgelt und Entgeltfortzahlung für den Monat Juli 2017 zu zahlen in Höhe von 4.137,57 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2017.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Entgeltfortzahlung für den Monat August 2017 zu zahlen in Höhe von 3.336,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2017.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Schadensersatz gemäß § 628 Abs. 2 BGB einen Betrag in Höhe von 32.067,00 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2018.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Karenzentschädigung für die Monate Dezember 2017 bis September 2019 einen Betrag in Höhe von insgesamt 45.179,70 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 3.803,90 € seit dem 06.02.2018
aus 8.275,16 € seit dem 24.05.2018
aus 4.137,58 € seit dem 01.08.2018
und
aus jeweils 2.068,79 € seit dem 01.09.2018, 01.10.2018, 01.11.2018, 01.12.2018, 01.01.2019, 01.02.2019, 01.03.2019, 01.04.2019, 01.05.2019, 01.06.2019, 01.07.2019, 01.08.2019, 01.09.2019, 01.10.2019.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Urlaubsabgeltung einen Betrag in Höhe von 2.864,47 € brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.05.2018.
- Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Jahre 2016 und 2017 einen Buchauszug über die getätigten Geschäftsabschlüsse im Bereich Sicherheitsunterweisung, Sicherheitsschulungen und sicherheitstechnische Betreuung zu erteilen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Widerklage einschließlich ihrer Erweiterung in der Berufungsinstanz wird abgewiesen.
II.
Im Übrigen werden die Berufungen des Klägers und der Beklagten zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits sind zu 20% vom Kläger und zu 80 % von der Beklagten zu tragen.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis und im Rahmen der Widerklage um Schadensersatzforderungen der Arbeitgeberin gegen den Arbeitnehmer.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 15.03.2010 als Fachkraft für Arbeitssicherheit beschäftigt. Er hatte in dieser Funktion für den jeweiligen Kunden vor Ort seine Arbeit zu erledigen, und zwar in K und der regionalen Umgebung sowie bundesweit, jedoch vorwiegend in und Richtung S . Vereinbarungsgemäß erhielt der Kläger im Jahre 2016 ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 4.014,66 € und im Jahre 2017 ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 4.137,57 €. In fünf von 19 Monaten erhielt er zusätzlich pauschalierte Leistungen zur Abgeltung von Mehrarbeit nämlich jeweils 1.500,00 € im Oktober 2016 und Januar 2017 und jeweils 750 € im Februar, April und Mai 2017 (vgl. die von der Beklagten erstellte Übersicht, Anlage BK 25, Bl. 521). In § 12 der Arbeitsvertragsurkunde haben die Parteien ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot gegen Zahlung einer Karenzentschädigung und unter Bezugnahme auf §§ 75 ff HGB für die Dauer von 2 Jahren vereinbart. In § 17 der Vertragsurkunde heißt es wörtlich: "Ansprüche aus diesem Dienstvertrag sind innerhalb von 6 Wochen nach Beendigung dieses Dienst...