Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit des Widerrufs insolvenzgeschützter Betriebsrentenansprüche durch den Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
1. Nach der Abschaffung des Sicherungsfalls des Widerrufs einer Pensionszusage wegen wirtschaftlicher Notlage in § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG a. F. im Zusammenhang mit der gesetzgeberischen Neugestaltung des Insolvenzrechts 1999 ist ein in der Versorgungsordnung ausdrücklich vorgesehener Widerruf einer Betriebsrentenzusage wegen wirtschaftlicher Notlage - auch sofern die Zusage nur teilweise widerrufen wird - nicht mehr zulässig (wie BAG, Urteil vom 17.06.2003,3 AZR 396/02).
2. Auch für ältere Versorgungsordnungen aus der Zeit vor der Gesetzesänderung gibt es kein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage, da lediglich eine zulässige unechte Rückwirkung vorliegt (wie BVerfG, Beschluss vom 29.02.2012, 1 BvR 2378/10).
Normenkette
BetrAVG § 7; BGB § 313
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 03.09.2015; Aktenzeichen 3 Ca 1302/15) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 03.09.2015 - 3 Ca 1302/15 - wird zurückgewiesen.
- Auf die Anschlussberufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 03.09.2015 - 3 Ca 1302/15 - abgeändert.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin aus der am 27.03.1961 auf der Grundlage der Allgemeinen Versorgungsordnung der C -R -K GmbH (Schwarzes Buch) erteilten Direktzusage vorbehaltlich künftiger jährlicher Anpassungen entsprechend der Änderungen der von der Klägerin bezogenen gesetzlichen Rente Ruhegehalt in Höhe von 533,96 € (fünfhundertdreiunddreißig 96/100 Euro) brutto monatlich im Voraus, jeweils zum 1. des Monats und beginnend ab dem 01.03.2016 zu zahlen; ein möglicherweise der Beklagten zustehendes Recht gemäß Ziffer V. c) der Versorgungsordnung, Leistungen zu kürzen, bleibt unberührt.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin aus der am 01.01.1973 erklärten, später erweiterten, zusätzlichen Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenen-Versorgungszusage der C -R -K GmbH Ruhegehalt von 131,57 € (einhunderteinunddreißig 57/100 Euro) brutto monatlich im Voraus, jeweils zum 1. des Monats und beginnend ab dem 01.03.2016 zu zahlen; ein möglicherweise der Beklagten zustehendes Recht gemäß Ziffer 7. der Versorgungsrichtlinie, Leistungen zu kürzen, bleibt unberührt.
- Im übrigen wird die Anschlussberufung zurückgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu einem Drittel und die Beklagte zu zwei Dritteln.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit einer Betriebsrenten-Kürzung und die zutreffende Höhe des Betriebsrenten-Anspruchs.
Die Beklagte ist ein inhabergeführtes Familienunternehmen, welches sich u. a. mit der Herstellung und dem Vertrieb von Reinigungsmitteln befasst und auf eine ca. achtzigjährige Firmengeschichte zurückblicken kann. Zuletzt waren bei der Beklagten lediglich noch ca. 20 aktive Arbeiternehmer beschäftigt, denen ca. 31 Betriebsrentenempfänger gegenüberstehen.
Bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin, der C -R -K -GmbH, gilt seit dem 01.01.1963 eine Versorgungsordnung, die Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung aufgrund einer ausschließlich arbeitgeberfinanzierten Direktzusage vorsieht. Der Rentenanspruch setzt sich aus einer Grundrente und ggf. einer weiteren Zusatzrente zusammen.
Hinsichtlich der in der Versorgungsordnung 1963 geregelten Grundrente (Altersrente) bestimmt Ziffer III. a der Versorgungsordnung unter der Überschrift "Umfang der Versorgungsleistungen":
"a) Altersrente
(...)
(Abs. 2)
Die Altersrente beträgt 50 % der Altersrente der Invaliden- oder Angestelltenversicherung, vermindert um 1 % für jedes Jahr, das der Betriebsangehörige bei Eintritt in die Firma älter als 20 Jahre war; die Altersrente beträgt mindestens 0,6 % des Bruttoeinkommens des letzten Dienstjahres für jedes bei der Firma zurückgelegte Dienstjahr. Als Bruttoeinkommen gilt höchstens die Beitragsbemessungsgrenze der Invaliden-Angestelltenversicherung."
Unter Punkt V. "Allgemeine Bestimmungen" der Versorgungsordnung lautet Unterpunkt V. c):
"c) Vorbehaltsklausel
Die Firma behält sich vor, die Leistungen zu kürzen oder einzustellen, wenn die bei Erteilung der Pensionszusage maßgebenden Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass der Firma die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Pensionsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.
Dies gilt insbesondere dann, wenn
1.
Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert hat, dass ihm eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen nicht mehr zugemutet werden kann,
oder
2.
(...)
3.
(...)
4.
der Pensionsberechtigte Handlungen begeht, die in grober Weise gegen Treu und Glauben verstoßen oder zu einer fristlosen Entlassung berechtigen würden."
Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Versorgungsordnung Bezug genommen.
Die am 1942 geborene Klägerin ...