Entscheidungsstichwort (Thema)
betriebliche Altersversorgung. Gleichbehandlungsgrundsatz. Differenzierungsgründe. Status. Versorgungsbedarf
Leitsatz (amtlich)
1. Eine allein an den unterschiedlichen Status von Arbeitern und Angestellten anknüpfende Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten in der betrieblichen Altersversorgung verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 1 b Abs.1 S.4 BetrAVG). Versorgungsschuldner konnten jedoch bis einschließlich zum 30.6.1993 darauf vertrauen, eine allein an den unterschiedlichen Status von Arbeitern und Angestellten anknüpfende Differenzierung sei noch zulässig (BAG 10.12.2002 – 3 AZR 3/02).
2. Eine Ungleichbehandlung in der betrieblichen Altersversorgung kann auch wegen eines unterschiedlichen Versorgungsbedarfs sachlich gerechtfertigt sein. Eine derartige Differenzierung steht in Übereinstimmung mit den üblichen Zwecken betrieblicher Versorgungswerke (BAG 10.12.2002 – 3 AZR 3/02).
3. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann die statusbezogene Kennzeichnung in einer Versorgungsordnung als Kürzel für eine dahinterstehende sachlich gerechtfertigte Unterscheidung sein. Ein solcher Ausnahmefall liegt bei einem Großunternehmen, dass sowohl Angestellte mit einfachen, als auch Arbeiter mit anspruchsvoller Tätigkeit beschäftigt, nicht vor. Zudem darf die Versorgungsordnung dem angegebenen dahinterstehenden Differenzierungsgrund nicht widersprechen. Darüber hinaus darf die zulässige Typisierung nur im Einzelfall und ausnahmsweise zu einer Benachteiligung der Betroffenen führen; die Regelung darf nur in besonders gelagerten Fällen Ungleichheiten entstehen lassen. Die durch eine typisierende Regelung entstehenden Ungerechtigkeiten dürfen nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen (BAG 10.12.2002 – 3 AZR 3/02).
4. Die im Streitfall nach diesen Grundsätzen zu überprüfende Versorgungsordnung, wonach Arbeiter und Angestellte hinsichtlich des Steigerungssatzes, um den sich die Betriebsrente für jedes anrechenbare Dienstjahr erhöht, unterschiedlich behandelt werden, verletzt den Gleichbehandlungsgrundsatz. Diese am Status anknüpfende Ungleichbehandlung der Arbeiter hinsichtlich der Bewertung der anrechenbaren Dienstjahre ist nicht ausnahmsweise wegen eines unterschiedlichen Versorgungsbedarfs von Arbeitern und Angestellten gerechtfertigt. Denn dieser Differenzierungsgrund steht im Widerspruch zu der im Streit stehenden Versorgungsordnung. Darüber hinaus führt die am Status anknüpfende typisierende Regelung bei einer beträchtlichen Zahl von betroffenen Arbeitern zu einer stärkeren Belastung und damit unzulässigen Benachteiligung gegenüber den Angestellten.
Normenkette
BetrAVG § 1b Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 24.08.2007; Aktenzeichen 5 Ca 10538/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.08.2007 – 5 Ca 10538/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Altersrente.
Der am 09.12.1945 geborene Kläger war vom 23.09.1965 bis zum 31.05.2003 bei der Beklagten zu 1. bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, einem Automobilwerk, als Lohnempfänger tätig. Ihm war von Beginn des Arbeitsverhältnisses an eine betriebliche Altersversorgung zugesagt worden. Die Versorgungsleistungen werden durch die Beklagte zu 2. als Unterstützungskasse erbracht. Deren Richtlinien in der Fassung vom 1. April 1972 wurden im Dezember 1994 durch neue Versorgungsregelungen abgelöst.
Der Versorgungsanspruch des Klägers bestimmt sich nach der „Versorgungsregelung, gültig für Einstellungen vor dem 01.01.1993 „vom 14.12.1994 (VR 94)”. Soweit für die Berufungsinstanz von Interesse, lautet die VR 94:
„1. Begriffsbestimmungen
…
d. Pensionsfähige Durchschnittsbezüge.
(1) Basis für die Ermittlung der pensionsfähigen Durchschnittsbezüge ist die Grundvergütung (Monatslohn und Grundgehalt) des Belegschaftsmitglieds ohne Berücksichtigung einzeln angerechneter oder pauschalierter Mehrarbeitsvergütungen, Zeitzulagen, Zeitzuschläge oder sonstiger Zuwendungen, z. B. Urlaubsgeld, Weihnachtsgratifikation und anderer Sondervergütungen.
….
(3) Bei der Berechnung von Altersrenten wird zur Ermittlung der pensionsfähigen Durchschnittsbezüge die Grundvergütung der letzten 60 Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zugrunde gelegt.
e. Anrechenbare gesetzliche Rentenversicherung
(1) Als anrechenbare gesetzliche Rente gilt die monatliche Versichertenrente, die sich ohne eine eventuelle freiwillige Beitragsleistung des Belegschaftsmitglieds ergibt.
2. Arten der Versorgungsleistungen
a. Versorgungsleistungen bei normalem Ruhestand
(1) Jedes Belegschaftsmitglied, das vor dem 01.01.1993 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit der Firma eingegangen ist, hat nach Erfüllung einer Wartezeit von 10 vollendeten Dienstjahren Anspruch auf Altersrente nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen.
Der normale Ruhestand beginnt am Ende des Monats, in dem das Belegschaftsmitglied das 65. Lebensjahr vollendet.
...