Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfüllung. Teil-Erfüllung. Annahme an Erfüllungs Statt. Ausschlussklausel. Arbeitsvertrag. Arbeitsordnung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Nimmt ein Arbeitnehmer ein ihm zur Kompensation eines vertraglichen Garantietantiemeanspruchs zu einem fiktiven Verrechnungskurs angebotenes Aktienpaket kommentar- und protestlos entgegen und tätigt damit in der Folgezeit eigene Geschäfte, so kann er nach mehr als 15 Monaten nicht erstmals einwenden, aufgrund des reellen Aktienkurswertes sei nur Teilerfüllung eingetreten.

2) Erklärt ein Individualarbeitsvertrag eine unternehmensweit praktizierte Arbeitsordnung ausdrücklich zum „ergänzenden Vertragsinhalt”, so wird auch eine tarifliche Ausschlussklausel wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen, auf die die Arbeitsordnung ihrerseits verweist.

 

Normenkette

BGB §§ 363-364; TVG § 4; MTV Metallindustrie NRW § 19

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Urteil vom 03.09.1998; Aktenzeichen 4 Ca 2862/97 G)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin hin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 03.09.1998 – 4 Ca 2862/97 G – teilweise wie folgt abgeändert:

Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 26.03.1998 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.000,– DM nebst 5 % Zinsen seit dem 22.10.1997 zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

II. Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt mit Ausnahme der Kosten der Säumnis im Termin vor dem Arbeitsgericht Siegburg vom 26.03.1998, die die Klägerin zu tragen hat.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in Klage und Widerklage um die finanzielle Abwicklung eines beendeten Anstellungsverhältnisses.

Die Klägerin ist im Industrieanlagenbau tätig und war u. a. mit der Herstellung von Zementanlagen befasst. Sie unterfällt dem Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens. Die Klägerin gehört zum KHD-Konzern und ist eine 100 %-ige Tochtergesellschaft der D .

Auf der Grundlage des Anstellungsvertrages vom 16.11.1994 trat der Beklagte mit Wirkung zum 15.12.1994 in die Dienste der Klägerin. Er übernahm die Leitung „Controlling/Rechnungswesen” und war dem Vorstand „Kaufmännische Verwaltung” direkt unterstellt. Auf den vollständigen Wortlaut des Anstellungsvertrages, insbesondere auf dessen Ziffern 2, 4 und 14, wird ausdrücklich Bezug genommen (Bl.36 bis 43 d.A.). Ebenfalls wird auf die für das Unternehmen der Klägerin geltende Arbeitsordnung Bezug genommen (Bl. 64 ff. d. A.). Deren Ziffer 1.13 lautet wie folgt:

„Geltendmachung von Ansprüchen Ansprüche sind schriftlich geltend zu machen. Damit eventuelle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nicht verfallen, müssen Sie die geltenden tariflichen Ausschlussfristen, auch nach Ihrem Ausscheiden, einhalten.”

Durch Rundschreiben vom 29.09.1995 (Bl. 169 ff. d. A.) informierte der K -Konzern seine Mitarbeiter darüber, dass zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation und zur Vermeidung stärkerer Einschnitte in andere betriebliche Leistungen nach entsprechenden Verhandlungen mit dem Konzernbetriebsrat und in Abstimmung mit den Tarifvertragsparteien beschlossen worden sei, u. a. „Jahreszahlungen für außertarifliche Mitarbeiter (Gratifikation/Tantieme)” für 1995 in vollem Umfang durch die Ausgabe entsprechender Aktienpakete an die Mitarbeiter auszugleichen. Dabei wurde ein Verrechnungswert von 20,– DM pro Aktie zugrundegelegt, während der tatsächliche Kurswert der Aktie seinerzeit mit ca. 8,– DM notierte. Auf einem ihm im Oktober 1995 zur Verfügung gestellten Formular gab der Beklagte an, dass seine Aktien auf ein bei seiner Hausbank bereits bestehendes Wertpapierdepot übertragen werden sollten (Bl. 176 d. A.). Die Klägerin wandelte den Bruttotantiemeanspruch des Beklagten für 1995 in Höhe von DM 35.000,00 sodann in 1.750 Aktien um und übermittelte dem Beklagten gemäß Abrechnungsschreiben vom November 1995 (Bl. 177 d. A.) nach Verrechnung der gesetzlichen Abzüge ein Aktienpaket von 1.149 Aktien.

Auch den Incentive-Anspruch des Beklagten für 1995 wandelte die Klägerin in entsprechender Weise zu einem Anteil von DM 12.000,00 brutto in Aktien um. Gemäß Abrechnungsschreiben vom 30.04.1996 (Bl. 178 d. A.) übermittelte die Klägerin dem Beklagten dementsprechend ein weiteres Aktienpaket von 363 Aktien und zahlte den Restbetrag von DM 3.000,00 auf eine zugunsten des Beklagten bestehende Direktversicherung ein.

Ob der Urlaubsgeldanspruch des Klägers für 1995 ebenfalls in Aktien umgewandelt oder aber in voller Höhe durch Zahlung beglichen wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Für 1996 zahlte die Klägerin dem Beklagten kein Urlaubsgeld.

Ebensowenig zahlte die Klägerin für 1996 eine Tantieme. Zur Rechtfertigung berief sie sich u. a. auf ihre im Mai 1996 offenbar gewordene katastrophale wirtschaftliche Situation: In den Jahren 1993 und 1994 hatten die hierfür zuständigen Vorstandsmitglieder d...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge