Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung von zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Raten
Leitsatz (amtlich)
Trifft der spätere Insolvenzschuldner mit der Gerichtsvollzieherin zur Abwendung einer sonst drohenden Mobiliarpfändung eine Ratenzahlungsvereinbarung, so handelt es sich bei den innerhalb des Zeitraums des § 131 I Nr.2 InsO tatsächlich gezahlten Raten um anfechtbare inkongruente Zahlungen, auch wenn der Zwangsvollstreckungsauftrag und die Ratenzahlungsvereinbarung lange vor Beginn dieses Zeitraums erfolgt waren.
Normenkette
InsO §§ 131, 140, 143
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 21.10.2014; Aktenzeichen 3 Ca 1622/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.10.2014 in Sachen3 Ca 1622/14 h wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Rückzahlungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nach erfolgter Insolvenzanfechtung.
Der Beklagte war im Jahr 2010 Arbeitnehmer des späteren Insolvenzschuldners. Für die Zeit vom 01.03. bis 03.05.2010 hatte er offenen Lohn in Höhe von 3.071,42 € zu beanspruchen, die in dem rechtskräftigen Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 11.01.2011, 3 Ca 1750/10 h, tituliert wurden.
Am 23.09.2011 beauftragte der Beklagte die zuständige Gerichtsvollzieherin mit der Zwangsvollstreckung aus dem Titel vom 11.01.2011. Zur Abwendung der angedrohten Mobiliarzwangsvollstreckung sagte der Schuldner der Gerichtsvollzieherin zu, Ratenzahlungen auf die titulierte Geldsumme zu erbringen. Dementsprechend zahlte er sodann am 29.11.2011 295,00 €, am 27.12.2011 596,40 €, am 22.02.2012 1.196,40 €, am 29.05.2012 1.719,55 € und am 04.06.2012 17,89 €.
Im Zahlungszeitpunkt vom 29.05.2012 bestanden offene Forderungen gegen den Schuldner in Höhe von 12.559,56 €. Zugleich befand sich das einzige Konto des Schuldners bei einem Kreditlimit von 19.000,00 € mit 18.612,94 € im Minus.
Am 30.07.2012 beantragte der Schuldner selbst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 16.10.2012 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter ernannt.
Der Kläger hat in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter die Zahlungen des Schuldners an den Beklagten vom 29.05.2012 über 1.719,55 € und vom 04.06.2012 in Höhe von 17,89 € gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO angefochten und von dem Beklagten die Rückzahlung dieser 1.737,44 € verlangt. Hierüber streiten die Parteien.
Das Arbeitsgericht Aachen hat mit Urteil vom 21.10.2014 der Klage des Insolvenzverwalters stattgegeben. Es hat den Anspruch aus § 143 Abs. 1 S.1 InsO für begründet erachtet. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils wird Bezug genommen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Beklagten am 18.02.2015 zugestellt. Der Beklagte hat hiergegen am 17.03.2015 Berufung eingelegt und diese am 17.04.2015 begründet.
Der Beklagte und Berufungskläger ist der Auffassung, es habe keine inkongruente Deckung im Sinne von § 131 Abs. 1 InsO vorgelegen. Entscheidend sei nach Auffassung des Beklagten darauf abzustellen, dass der Zwangsvollstreckungsauftrag bereits am 21.09.2011 ausgebracht worden sei, also lange vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der in § 131 Abs. 1 InsO genannten Fristen. Die von der Gerichtsvollzieherin herbeigeführte Ratenzahlungsvereinbarung sei an die Stelle der Ausbringung einer Pfändung getreten. Zwischen der Zwangsvollstreckung vom 21.09.2011 und allen geleisteten Ratenzahlungen, auch den streitgegenständlichen vom 29.05.2012 und 04.06.2012, habe demnach Kongruenz bestanden. Im Zeitpunkt des Zwangsvollstreckungsauftrags am 21.09.2011 sei der Schuldner auch noch zahlungsfähig gewesen.
Der Beklagte und Berufungskläger beantragt nunmehr,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.10.2014, 3 Ca 162/14 h, die Klage abzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger und Berufungsbeklagte beruft sich darauf, dass sich nach herrschender Meinung Zahlungen, die im Wege der Zwangsvollstreckung oder unter Androhung derselben an den Gerichtsvollzieher geleistet werden, inkongruente Deckungen im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO darstellten.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 21.10.2014 ist zulässig. Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Sie wurde auch innerhalb der in § 66 Abs. 1 ArbGG vorgeschriebenen Fristen formgerecht eingelegt und begründet.
II. Die Berufung des Beklagten konnte jedoch keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der vom Kläger geltend gemachte Zahlungsanspruch auf der Basis des § 143 Abs. 1 S. 1 InsO begründet ist.
1. Gemäß § 143 Abs. 1 S. 1 InsO kann der Insolvenzverwalter verlangen, dass zur Insolvenzmasse zurückgewährt wird, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners...