Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Altersgrenze für Piloten
Leitsatz (redaktionell)
Eine tarifliche Altersgrenze für Flugzeugführer mit 60 Jahren ist wirksam und verstößt nicht gegen die Regelungen des AGG.
Normenkette
AGG § 10
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 22.06.2007; Aktenzeichen 2 Ca 9886/06) |
ArbG Köln (Urteil vom 09.03.2007; Aktenzeichen 5 Ca 9346/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen die am 09.03.2007 – Arbeitsgericht Köln 5 Ca 9346/06 – und am 22.06.2007 – Arbeitsgericht Köln 2 Ca 9886/06 – verkündeten Urteile werden kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihre Arbeitsverhältnisse aufgrund der Altersbegrenzung von 60 Jahren im Manteltarifvertrag Nr. 5 a für das Cockpit-Personal bei der Beklagten in der Fassung vom 14.01.2005 (nachfolgend: MTV) geendet haben.
Die Kläger waren bei der Beklagten als Flugzeugführer beschäftigt. Auf die Arbeitsverhältnisse findet der MTV teils kraft Tarifbindung (Kläger zu 1., zu 2. und zu 4.), im Übrigen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Nach § 19 Abs. 2 letzter Satz MTV endet das Arbeitsverhältnis – ohne dass es einer Kündigung bedarf – mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter das 60. Lebensjahr vollendet hat.
Die Kläger haben geltend gemacht, die tarifvertragliche Altersgrenzenregelung stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung dar. Sie verstoße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und sei daher unwirksam. Die Ausnahmetatbestände des § 8 AGG und des § 10 AGG lägen nicht vor.
Die Altersgrenze sei nicht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung. Es könne nicht per se mit Erreichen eines bestimmten Lebensalters angenommen werden, die Flugzeugkapitäne seien nicht mehr in der Lage, ihren Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Dies hänge vielmehr von anderen, im Wesentlichen medizinisch-biologischen Faktoren ab, die in jedem einzelnen Fall variierten. Die Voraussetzungen einer unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG seien ebenfalls nicht gegeben.
Die Tarifvertragsparteien hätten die Altersgrenze mit der Erwägung begründet, Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder und Passagiere dadurch schützen zu wollen, dass Piloten im Alter von 60 Jahren, bei denen erfahrungsgemäß das Risiko altersbedingter Fehlreaktionen im Cockpit steige, nicht mehr im Flugbetrieb eingesetzt werden. Nur darauf stütze sich die Entscheidung des BAG vom 21.07.2004 (7 AZR 589/03). Diese Entscheidung sei nach Inkrafttreten des AGG nicht mehr aufrechtzuerhalten.
Auch aus der Mangold-Entscheidung des BAG in Anlehnung an den EuGH (7 AZR 500/04) ergebe sich, dass eine bloße Altersbegrenzung unzulässig sei. Das legitime Ziel der Beklagten werde bereits durch die im Einzelnen geregelten umfangreichen medizinischen Untersuchungen erreicht. Es sei auch an die Möglichkeit zu denken, nach Vollendung des 60. Lebensjahres die ohnehin vorgesehenen Untersuchungen noch zu verschärfen, beispielsweise durch noch intensivere Untersuchungen in zeitlich kürzeren Abständen.
Die Kläger haben außerdem die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund von Erklärungen ihres Chefpiloten R und ihres Flottenchefs der Boeing 747 W gehindert, sich auf eine etwaige Wirksamkeit der Altersgrenzenregelung zu berufen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 09.03.2007 (5 Ca 9346/06) und vom 22.06.2007 (2 Ca 9886/06 bzgl. der Kläger zu 5. und 6.) die Klagen abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger. Sie rügen, das Arbeitsgericht habe sich mit dem AGG nicht auseinander gesetzt, das im Vergleich zum bisherigen Befristungsrecht einen strengeren Prüfungsmaßstab erfordere. Die Altersgrenzenregelung im MTV sei nach dem Inkrafttreten des AGG am 18.08.2006 unwirksam geworden. Das BAG habe sich im Urteil vom 21.07.2004 mit dem Inhalt der Richtlinie 2000/78/EG nicht auseinander gesetzt. Das BAG setze zu Unrecht den Tatbestand des sachlichen Grundes nach § 14 TzBfG mit dem „neuartigen Prüfungsmaßstab der Richtlinie gleich, ohne eine detaillierte Prüfung vorzunehmen.” Dies widerspreche dem vom europäischen Gesetzgeber verfolgten Schutzzweck der Richtlinie und dem gemeinschaftsrechtlichen Verbot der Altersdiskriminierung sowie dem Willen des nationalen Gesetzgebers, der im AGG seinen Ausdruck gefunden habe.
Die Altersgrenze lasse sich nicht damit rechtfertigen, dass die Leistungsfähigkeit im Alter generell schwinde, denn es gebe keine gerontologischen Studien, die eine solche Annahme stützten. Ein angenommener Leistungsabfall müsse im konkreten Einzelfall belegt sein. Der Arbeitgeber habe dafür die Darlegungs- und Beweislast. Im Übrigen gäbe es innerhalb des Konzerns der Beklagten Piloten, die teils auf tarifvertraglicher, teils auf arbeitsvertraglicher Ebene bis zum 65. Lebensjahr fliegen dürften. Es werde bestritten, dass der Sicherheitsaspekt für die ...