Rechtsmittel zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufliches Fortkommen von Personalratsmitgliedern. Benachteiligungsverbot. Nachzeichnung der fiktiven beruflichen Laufbahn
Leitsatz (amtlich)
1. Bewirbt sich ein freigestelltes Personalratsmitglied um einen Beförderungsposten, so ist bei der Eignungsbeurteilung an die früheren Beurteilungen des Personalratsmitglieds anzuknüpfen und im Wege der fiktiven Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung zu ermitteln, welchen Leistungsstand das Personalratsmitglied ohne seine Freistellung mutmaßlich erreicht hätte.
2. Macht der Arbeitgeber die Beförderung vom Ergebnis eines Auswahlgesprächs abhängig, kann er die Beförderung des Personalratsmitglieds anschließend nicht mit der pauschalen Begründung verweigern, ein anderer, bis dahin mit dem Personalratsmitglied als gleich qualifiziert bewerteter, dienstjüngerer Mitarbeiter habe sich im Auswahlgespräch als der für den Beförderungsposten besserqualifizierte Bewerber erwiesen. Der Arbeitgeber muß im Prozeß diejenigen Tatsachen vortragen, die dem Gericht die Prüfung ermöglichen, ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Wertung nachvollziebar ist.
Normenkette
Bespersonalvertretungsgesetz §§ 8, 46
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 25.01.1996; Aktenzeichen 7 Ca 752/95) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.01.1996 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 7 Ca 752/95 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger mit Wirkung ab 01.07.1994 Vergütung nach der Gruppe III der Vergütungsordnung der Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen.
Der 62 Jahre alte Kläger ist seit dem 08.11.1967 als Angestellter im Arbeitsamt Aachen beschäftigt. Von 1969 bis 1985 war er als Berufsberater für Behinderte tätig. Ab 01.10.1985 ist er als Personalratsmitglied von der Verpflichtung zur Dienstleistung freigestellt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft Tarifbindung die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Angestellte bei der Bundesanstalt für Arbeit (MTA) Anwendung. Der Kläger erhielt zuletzt Vergütung nach der Gruppe IV a MTA. Seine Bezüge beliefen sich dabei auf 5.853,38 DM brutto im Monat. Der Kläger ist anerkannter Schwerbehinderter.
Durch Dienstblatt-Runderlaß 37/94 richtete die Beklagte in den Arbeitsämtern je einen Dienstposten für einen ersten oder einzigen Berufsberater für Behinderte ein. Der neu einzurichtende Dienstposten wurde dabei mit der Besoldungsgruppe A 11/Vergütungsgruppe IV a bewertet mit der Maßgabe, daß nach vierjähriger Bewährung einer Höherstufung in die Besoldungsgruppe A 12 bzw. die Vergütungsgruppe III vorgesehen war. Die Stelle des ersten oder einzigen Berufsberaters für Behinderte war nach dem Erlaß mit einem Stellenbewerber aus den Reihen der in den jeweiligen Arbeitsämtern tätigen Berufsberater für Behinderte zu besetzen. Dabei sollte die Auswahl nach Eignungsgesichtspunkten vorgenommen werden.
Beim Arbeitsamt Aachen gab es zwei Bewerber für den neu eingerichteten Dienstposten. Die Beklagte bezog von Amts wegen auch den Kläger in die Auswahl ein. Einer dieser Bewerber war Herr S, der deutlich jünger als der Kläger ist und der im Jahre 1985 den Aufgabenbereich des Klägers übernommen hat. Herr S und der Kläger hatten zu Beginn der 80iger Jahre und noch einmal 1988 gleiche Beurteilungen erhalten, wobei die Beurteilung des Jahres 1988 wegen einer Veränderung der Beurteilungsmaßstäbe bei beiden schlechter ausfiel als die vorangegangene Danach wurde der Kläger aus Altersgründen nicht mehr dienstlich beurteilt. Herrn Sauer wurde bei der weiteren dienstlichen Beurteilung eine Leistungssteigerung bescheinigt.
Die Beklagte führte mit den beiden Bewerbern und auch mit dem Kläger Stellenbesetzungsgespräche und übertrug anschließend den Aufgabenbereich des ersten und einzigen Berufsberaters für Behinderte auf Herrn S mit der Begründung, er habe sich als der bestqualifizierte Bewerber erwiesen.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihn als Personalratsmitglied mit dieser Entscheidung unzulässigerweise benachteiligt. Eine fiktive Laufbahnnachzeichnung ergebe, daß er, der Kläger, erster und einziger Berufsberater geworden wäre, wenn er nicht als Personalratsmitglied von der Verpflichtung zur Dienstleistung freigestellt gewesen wäre. Er wäre dann sogar ein herausragender Kandidat gewesen, so daß ihm die Stelle ohne Stellenbesetzungsgespräche mit anderen Kandidaten übertragen worden wäre.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 01.07.1994 Vergütung nach der Vergütungsgruppe III der Vergütungsordnung bei der Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen und die rückständigen Nettodifferenzbeträge zwischen den Vergütungsgruppen III und IV a ab Klagezustellung jeweils mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dazu vorgetragen, der Kläger sei nicht...