Entscheidungsstichwort (Thema)
Chefarzt. Annahmeverzug. anrechenbarer Zwischenverdienst. Privatliquidationsrecht. Nebentätigkeit. Böswilliges Unterlassen von Zwischenverdienst. Schönheitsoperationen
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen des Annahmeverzuges bei einem gekündigten Anstellungsverhältnis eines Chefarztes.
2. Zur Bestimmung des anrechenbaren Zwischenverdienstes bei einer selbständigen Tätigkeit als niedergelassener Arzt.
3. Zur Frage, inwieweit Erläse aus einem im Anstellungsvertrag vereinbarten Privatliquidationsrecht eines Chefarztes im Falle des Annahmeverzuges als Teil der Vergütung im Sinne von § 615 S. 1 BGB fortzuzahlen sind.
4. Verpflichtet sich der Arbeitgeber im Anstellungsvertrag, dem Arbeitnehmer die Möglichkeit einzuräumen, aus bestimmten Nebentätigkeiten Liquidationserläse zu erwerben, kommt im Falle einer sich als unwirksam erweisenden Kündigung auch ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Betracht.
5. Es stellt kein böswilliges Unterlassen von Zwischenverdienst im Sinne von § 615 BGB dar, wenn der gekündigte Chefarzt der HNO-Abteilung einer Klinik das Angebot ablehnt, während des laufenden Kündigungsschutzprozesses in seiner alten Abteilung als eine Art Belegarzt tätig zu werden, erst recht, wenn sein vom Arbeitgeber eingestellter Nachfolger bereits seinen Dienst angetreten hat.
Normenkette
BGB §§ 280, 615
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 04.07.2007; Aktenzeichen 9 Ca 2897/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers hin wird das Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 04.07.2007 in Sachen 9 Ca 2897/03 abgeändert:
Die Beklagten zu 1 und 2 werden verurteilt, an den Kläger als Gesamtschuldner über den in Ziffer 3 des angegriffenen Urteils ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 226.502,30 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 21.12.2001.
Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, auf den Klageantrag zu 5 laut Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Schluss-Urteils vom 04.07.2007 an den Kläger 431.019,10 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 18.09.2003.
Die Anschlussberufung des Beklagten zu 1 wird zurückgewiesen.
Die Anschlussberufung der Beklagten zu 2 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die von der Beklagten zu 2 gemäß Ziffer 2 des arbeitsgerichtlichen Schluss-Urteils vom 04.07.2007 zu zahlende Hauptsumme nicht 62.888,00 EUR, sondern 62.288,00 EUR beträgt.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben der Kläger 21 %, die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner 28 % und die Beklagte zu 2 alleine 51 % zu tragen.
Von den gerichtlichen Kosten und den außergerichtlichen Kosten des Klägers in der Berufungsinstanz haben die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner 19 % und die Beklagte zu 2 alleine 81 % zu tragen. Ihre außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz tragen die Beklagten jeweils selber.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche des Klägers aus einem beendeten Chefarztanstellungsverhältnis.
Der am 19.05.1937 geborene Kläger war seit dem 01.07.1977 als leitender Chefarzt der HNO-Abteilung des St. F-H in K-E beschäftigt. Auf den Anstellungsvertrag vom 21.06.1977 (Bl. 10 21 d. A.), insbesondere auf dessen § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und 3 sowie § 7 und auf die Anlage zum Anstellungsvertrag vom 05.07.1977 (Bl. 747 d. A.) wird in vollem Umfang Bezug genommen.
Im Zeitpunkt der Einstellung des Klägers wurde das Krankenhaus von der Kongregation der A S vom h F , A , geführt. Mitte der 1990er Jahre ging die Trägerschaft des St. F-H auf den Beklagten zu 1 über. Zum 01.01.2001 übertrug der Beklagte zu 1 das Krankenhaus auf die Beklagte zu 2.
Gemäß § 4 Abs. 1 Anstellungsvertrag stand dem Kläger „für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich (§ 3) eine Vergütung nach Gruppe 1 der AVR des Deutschen Caritasverbandes und ein Liquidationserläs nach § 5” des Anstellungsvertrages zu. In § 5 Abs. 1 des Anstellungsvertrages heißt es auszugsweise: „Der Rechtsträger des Krankenhauses überlässt dem Chefarzt, sofern nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, das Liquidationsrecht bei den Patienten seiner Abteilung, die eine persönliche Behandlung durch ihn ausdrücklich wünschen …. Das Liquidationsrecht umfasst alle im Laufe einer stationären oder ambulanten Behandlung vorkommenden Ärztlichen Leistungen, die vom Chefarzt persönlich erbracht werden, einschließlich des Arzthonoraranteils bei Ärztlichen Sachleistungen, jedoch mit Ausnahme der Notfälle.”
Gemäß § 7 Abs. 1 des Anstellungsvertrages war der Kläger „berechtigt, neben seiner dienstlichen Hauptaufgabe (§ 3) folgende Nebentätigkeiten auszuüben:
- „Ambulante Beratung und Behandlung
- Ambulante Gutachtertätigkeit
- Konsiliartätigkeit, soweit es sich nicht um eine Tätigkeit nach § 3 Abs. 1 dieses Vertrages handelt.”
Im Jahre 1999 betrug das Monatsgehalt des Klägers 11.725,43 DM brutto (= 6.230,35 EUR). Nach den vom Kläger den Finanzbehörden gemeldeten ...