Entscheidungsstichwort (Thema)
Ankündigung einer Erkrankung. Objektiv erkrankter Arbeitnehmer. Rücksichtnahmegebot und Druckmittel
Leitsatz (amtlich)
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch den Arbeitnehmer für den Fall, dass der Arbeitgeber einem Verlangen des Arbeitnehmers nicht entsprechen sollte, ohne Rücksicht auf eine später tatsächlich auftretende Krankheit an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben.
2. Weist ein objektiv erkrankter Arbeitnehmer den Arbeitgeber nach Ablehnung eines kurzfristig gestellten Urlaubsgesuchs darauf hin, "dann sei er eben krank", schließt dies zwar eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nicht von vornherein aus. Auch bei tatsächlich bestehender Erkrankung ist es dem Arbeitnehmer aufgrund des Rücksichtnahmegebots verwehrt, die Krankheit und ein sich daraus ergebendes Recht, der Arbeit fern zu bleiben, gegenüber dem Arbeitgeber als "Druckmittel" einzusetzen, um den Arbeitgeber zu einem vom Arbeitnehmer gewünschten Verhalten zu veranlassen.
Normenkette
BGB §§ 626, 241 Abs. 2; KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 10.07.2013; Aktenzeichen 9 Ca 10211/12) |
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10. Juli 2013 - 9 Ca 10211/12 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung.
Die am 1973 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 18. Juli 2005 zuletzt in Teilzeit beschäftigt. Sie hat einen vierjährigen Sohn.
Die Klägerin war im Oktober 2012 arbeitsunfähig erkrankt. Am 22. Oktober 2012 nahm sie wieder ihre Arbeit auf.
Im November 2012 erkrankte Frau H aus der Registratur längerfristig. Die Vorgesetzte der Klägerin Frau E gab der Klägerinam 21. November 2012 auf, den Kollegen Peters in der Registratur zu unterstützen. Die Klägerin trug darauf hin Akten aus der Registratur im Souterrain in ihr im Erdgeschoss gelegenes Büro.
Am 22. November 2012 wies Frau E die Klägerin an, am nächsten Arbeitstag (26. November 2012) die Arbeiten am Arbeitsplatz der erkrankten Kollegin durchzuführen. Die Klägerin machte geltend, sie habe Schmerzen im Arm, die sie an der Arbeit in der Registratur hindern würden. Frau E hielt ihr entgegen, dass von ihrer Dienstfähigkeit auszugehen sei, solange sie sich im Dienst befände. Die Klägerin arbeitete am 26. und 27. November 2012 in der Registratur. Nach Dienstende ging sie zum Arzt, der ihr eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 27. November 2012 bis zum 14. Dezember 2012 ausstellte.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis nach vorheriger Anhörung des Personalrats mit Schreiben vom 5. Dezember 2012, welches die Klägerin am 11. Dezember 2012 erhielt, fristlos. Hiergegen richtet sich die am 27. Dezember 2012 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage.
Die Klägerin hat bestritten, sich pflichtwidrig verhalten zu haben. Sie habe Frau E bereits am 21. November 2012 auf ihre gesundheitlichen Probleme mit dem Arm aufmerksam gemacht und sie gefragt, ob es möglich sei, sich die Arbeit mit einem Kollegen zu teilen. Am gleichen Tag habe sie Frau E per E-Mail darüber unterrichtet, dass sie verstärkt Schmerzen im Arm verspürt habe. Frau E habe ihr kurze Zeit später im Treppenhaus bestätigt, die E-Mail erhalten zu haben. Sie habe die Akten mit in ihr Büro genommen, weil sie zunächst nicht angewiesen worden sei, in der Registratur zu arbeiten. Die Arbeiten in der Registratur erforderten rotierende Bewegungen. Sie hat die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats gerügt.
Die Klägerin hat beantragt,
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung der Beklagten vom 05.12.2012, zugegangen am 11.12.2012, zum 05.12.2012 nicht aufgelöst worden ist;
2.
die Beklagte zu verurteilen, sie für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung aufgelöst wurde, als Verwaltungsangestellte bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei wirksam. Die Klägerin habe nicht in der Registratur arbeiten wollen, obwohl sich die dort anfallenden Arbeiten von ihren sonstigen Aufgaben insbesondere in Bezug auf die körperliche Belastung nicht unterschieden. Selbstverständlich sei die Anweisung von Frau E dahingehend zu verstehen gewesen, dass die Klägerin den Arbeitsplatz in der Registratur einnehmen sollte. Der Umstand, dass sie die Akten weisungswidrig in ihr Büro getragen habe, zeige, dass sie nicht am Arm erkrankt gewesen sei. Auf die Anweisung von Frau E vom 22. November 2012 habe die Klägerin mit den Worten reagiert: "Dir ist schon klar, dass ich mich dann krankschreiben lasse?" Am 2...