Entscheidungsstichwort (Thema)
Frachtführer als arbeitnehmerähnliche Person
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Frachtführer, der mit eigenem Fahrzeug ständig für einen Auftraggeber Aufträge durchführt, ist kein Arbeitnehmer, wenn ihm vertraglich das Recht eingeräumt ist, die Fahrten durch Dritte durchführen zu lassen und Transportaufträge von Dritten anzunehmen.
2. Hat der Frachtführer nur diesen Auftraggeber und ist durch dessen Aufträge über Jahre ganztägig beschäftigt gewesen und bilden die daraus erzielten Einkünfte die wirtschaftliche Existenzgrundlage des Frachtführers, so hat er den Status einer arbeitnehmerähnlichen Person.
3. Bei einer Kündigung von arbeitnehmerähnlichen Personen durch den Auftraggeber gelten nach langjähriger Beschäftigung die verlängerten Kündigungsfristen der §§ 622 Abs. 2 BGB, 29 Abs. 4 HAG.
Normenkette
TVG § 12a
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 16.08.2005; Aktenzeichen 14 Ca 12700/04) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.08.2005 – 14 Ca 12700/04 – wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16.08.2005 – 14 Ca 12700/04 – teilweise abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Vertragsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.11.2004 erst am 31.05.2005 sein Ende gefunden hat.
- Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2/3 und die Beklagte 1/3.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestanden hat und ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt das Vertragsverhältnis durch die Kündigung der Beklagtenseite vom 29.11.2004 beendet wurde.
Der 1946 geborene Kläger war als Frachtführer zunächst für die Rechtsvorgängerin der Beklagte seit 1989 tätig. Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin führte das Vertragsverhältnis seit dem 01.06.1999 fort. Basis der Tätigkeit des Klägers war zuletzt der Rahmenvertrag Spediteur „Frachtführervertrag” vom 30.11.2001 (Bl. 35 bis 44 d. A.). In § 4 dieses Vertrages war festgelegt, dass der Kläger selbstständiger Gewerbetreibender und nicht verpflichtet sei, jeden Auftrag persönlich auszuführen. § 3 Ziffer 12 des Vertrages legte fest, dass im Hinblick auf den gemeinsamen Vertragszweck die Beklagte berechtigt war, Fahrzeuge des Klägers mit ihrem Firmenlogo zu beschriften.
Der Kläger hatte ein eigenes Gewerbe angemeldet, arbeitete ausschließlich für die Beklagte und erzielte eine Vergütung in Höhe von etwa 2.800,00 EUR monatlich. Dem Kläger war eine feste Tour übertragen. Die Fahrten führte er mit dem eigenen Lieferwagen durch, der das Logo der Beklagten aufwies. Der Kläger musste morgens um 07:00 Uhr bei der Beklagten erscheinen und anhand einer Rollkarte die Waren überprüfen, die Tour zusammenstellen und den Lieferwagen beladen. Auf der Rollkarte waren die einzelnen Kunden und die auszuliefernden Pakete, teilweise auch die Zeiten bis zu denen die Pakete an die Kunden auszuliefern waren, angegeben. Die Ehefrau des Klägers fuhr mit einem zweiten Fahrzeug des Klägers ebenfalls ausschließlich für die Beklagte. Auch sie fuhr eine feste Tour. Die Tätigkeit der Ehefrau des Klägers wurde über das Gewerbe des Klägers abgewickelt.
Mit Schreiben vom 29.11.2004 kündigte die Beklagte die vom Kläger bewirtschafteten Touren 5006 und 5007 zum 31.12.2004 (Bl. 15 d. A.).
Mit seiner am 14.12.2004 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und geltend gemacht, er sei tatsächlich nicht selbstständiger Fuhrunternehmer, sondern Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Die Kündigung sei rechtsunwirksam gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Kündigung der Beklagten vom 29.11.2004, zugegangen am 30.11.2004, rechtsunwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist 31.12.2004 hinaus weiter unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, es bestehe kein Arbeitsverhältnis. Sie habe insbesondere den Kläger gegenüber keine Weisungen hinsichtlich der Art und Weise, wie er seine Tätigkeiten zu erbringen habe, erteilt.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 16.08.2005 die Klage abgewiesen (Urteil Bl. 68 bis 78 d. A.). Es hat sich zur Begründung massgeblich darauf gestützt, dass der für ein Arbeitsverhältnis erforderliche Grad persönlicher Abhängigkeit nicht gegeben sei. Eine relevante Abweichung vom Normalfall des Frachtführervertrages, der vom Gesetzgeber als selbständiges Vertragsverhältnis angelegt worden sei, liege nicht vor. Zudem sei der Kläger nicht in einer Weise in die betriebliche Organisation eingebunden, die zur Annahme der Arbeitnehmereigenschaft führen könne.
Gegen dieses am 14.09.2005 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 07.10.2005 beim Landesarbeitsgericht Köln eingelegten Berufung.
Der Kläger macht geltend, er sei als Arbeitnehmer für di...