Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsrat. Anhörung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird eine nach § 174 BGB zurückgewiesene Kündigung vom Vertreter des Arbeitgebers anschließend unter Verwendung des gleichen Schreibens – jedoch unter Beifügung der erforderlichen Vollmacht – erneut ausgesprochen, so ist vor dem Ausspruch der zweiten Kündigung eine erneute Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG erforderlich.

 

Normenkette

BGB § 174; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Urteil vom 24.07.2003; Aktenzeichen 15 Ca 8744/02)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.07.2003 – 15 Ca 8744/02 – geändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigungen der Beklagten vom 22.08.2002 und 28.08.2002 zum 31.03.2003 beendet ist.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten.

Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 07.07.1976 – zuletzt als Helfer zu einem Bruttomonatsentgelt von 2.333,00 EUR – beschäftigt. Der Kläger ist zu 30 % schwerbehindert und einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Er leidet an Depressionen. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen zur Arbeitnehmerüberlassung und beschäftigt bundesweit mehrere tausend Mitarbeiter.

Die Beklagte hatte im Jahre 1996 die Zustimmung zu einer krankheitsbedingten Kündigung bei der Hauptfürsorgestelle beantragt, der Antrag wurde in der Folgezeit von der Beklagten nicht weiter verfolgt, nachdem sich die Parteien darauf geeinigt hatten, die weitere Entwicklung abzuwarten.

Anlässlich eines Einsatzes des Klägers bei der Firma T. in Aachen am 29.06.1998 und 30.06.1998 kam es zu mehreren Vorfällen, die zum Teil streitig sind. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe am 29.06.1998, wie die Firma T. ihr in einem Anruf mitgeteilt habe, mit einem Vorschlaghammer auf Vorrichtungen eingeschlagen, Magnete auf Böcken angeschweißt, auf dem Tisch liegende Zeitungen durcheinandergebracht und sei verwirrt durch die Halle gelaufen. Er habe unter anderem auch auf dem Boden gekniet und Schienen gestreichelt sowie die Waggons geküsst, mit den Fäusten gegen Zigarettenautomaten getrommelt und gegen ein Stopschild getreten. Am 30.06.1998 habe der Kläger zunächst vergeblich versucht, auf das Gelände der Firma T. zu gelangen. Gegen Mittag desselben Tages habe er sich erneut Zutritt auf das Firmengelände verschafft und dort einen Großfeueralarm ausgelöst, wobei er einen Feuerlöscher entleert habe.

Die Auslösung des Großfeueralarms sowie der Umstand, dass der Kläger von der Feuerwehr für die Kosten in Anspruch genommen wurde und diese erstattet hat, ist unstreitig. Unstreitig ist auch, dass der Kläger nach den Vorfällen vom 29.06.1998 und 30.06.1998 für fünf Wochen in stationärer psychiatrischer Behandlung war. Die Beklagte hat den Kläger seit dieser Zeit unter Fortzahlung seiner Vergütung von der Arbeitsleistung freigestellt.

Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 22.07.1998 bei der Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus krankheitsbedingten und verhaltensbedingten Gründen im Hinblick auf die Vorfälle vom 29. und 30.06.1998. Mit Schreiben vom gleichen Tage wurde der Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung angehört. Die Hauptfürsorgestelle wies den Antrag mit Bescheid vom 15.05.1999 zurück. Nach Ablauf weiterer drei Jahre erteilte der Widerspruchsausschuss mit Bescheid vom 07.08.2002 die Zustimmung zur Kündigung. Eine gegen den Zustimmungsbescheid vom Kläger erhobene Klage blieb vor dem Verwaltungsgericht ohne Erfolg.

Die Beklagte hatte mit Schreiben vom 14.08.2002 erneut den Betriebsrat zu einer verhaltensbedingten Kündigung angehört, mit Schreiben vom 19.08.2002 hat der Betriebsrat der Kündigung widersprochen. Die Beklagte kündigte sodann zunächst mit Schreiben vom 22.08.2002 das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2003, wobei das Kündigungsschreiben von einer Frau M. als Niederlassungsleiterin und einem Herrn Th. als Vertriebsdisponent – jeweils gezeichnet mit „i.V.” – unterzeichnet war. Frau M. ist zum Ausspruch von Kündigungen bevollmächtigt, eine Vollmachtsurkunde lag dem Kündigungsschreiben jedoch nicht im Original bei. Der Kläger ließ mit Schreiben vom 23.08.2002 durch seine Prozessbevollmächtigten die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vom 22.08.2002 „gemäß § 174 BGB wegen fehlender Vollmacht zur Abgabe einer Kündigungserklärung” zurückweisen. Daraufhin übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 28.08.2002 erneut ein Kündigungsschreiben – mit gleichem Wortlaut und Inhalt wie das Kündigungsschreiben vom 22.08.2002 – unter Beifügung einer Originalvollmacht (Bl.72 GA) an den Kläger.

Mit der am 23.08.2002 beim Arbeitsgericht zunächst hinsichtlich der Kündigung vom 22.08.2002 anhängig gemachten, später – mit einem am 12.03.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz – auf die Unwirksamkeit der Kündigung vom 28.08.2002 erweiterten Klage ma...

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