Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes bei Sozialplänen
Leitsatz (amtlich)
Es stellt grundsätzlich keinen Verstoß gegen den gemäß § 75 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zu berücksichtigenden Gleichbehandlungsgrundsatz dar, wenn ein Sozialplan Arbeitnehmer nicht berücksichtigt, deren Arbeitsplatz zwar von der Betriebsänderung betroffen wäre, die aber kurz vor dem Abschluß des Sozialplanes durch Eigenkündigung ausscheiden.
Normenkette
GG Art. 3; BetrVG §§ 75, 112
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 01.09.1994; Aktenzeichen 14 Ca 4981/93) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.09.1994 – 14 Ca 4981/93 – abgeändert:
1) Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3) Die Revision wird – beschränkt auf die Ansprüche des Klägers wegen der Sozialplanabfindung – zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zum einen um einen Abfindungsanspruch des Klägers aus einem von der Beklagten mit ihrem Betriebsrat für eine Betriebsverlegung abgeschlossenen Sozialplan, der Abfindungen auch für durch Eigenkündigung ausgeschiedene Arbeitnehmer vorsieht, allerdings bestimmt, daß seine Bestimmungen nur für diejenigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gelten, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sozialplans von der Betriebsänderung betroffen sind. Der Kläger schied durch Eigenkündigung kurz vor Inkrafttreten des Sozialplanes aus. Zum anderen streiten die Parteien um einen Tantiemenanspruch, wobei sich der Streit im wesentlichen um die Frage dreht, ob dieser voraussetzt, daß zu dem vorgesehenen Auszahlungszeitpunkt ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 15.10.1981 zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 5.886,00 DM beschäftigt. Er war als verantwortlicher Systemprogrammierer tätig. Die Beklagte betreibt mit staatlicher Genehmigung das Lottospiel und unterhält zwei Betriebe, einen in Köln, einen in Münster. In Köln waren im Jahr 1993 etwa 325 Arbeitnehmer, in Münster 308 Arbeitnehmer beschäftigt.
Die Beklagte zahlt ihren Beschäftigten seit Jahren eine Gratifikation („Tantieme”), die sich nach dem jeweiligen Jahresgewinn des Vorjahres bemißt. Die Auszahlung erfolgt nach Zustimmung der Gesellschafter Ende März mit der Zahlung des Aprilgehaltes.
Grundlage sind zwei Betriebsvereinbarungen vom 01.02.1985 und vom 17.09.1991. In der Betriebsvereinbarung vom 01.02.1985 heißt es in § 1:
„Das Unternehmen beteiligt seine im ungekündigten Arbeitsverhältnis stehenden Mitarbeiter angemessen an dem jeweiligen Jahresgewinn durch Gewährung einer Gratifikation, sofern die Gesellschafter des Unternehmens vorher zugestimmt haben. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung der Gratifikation besteht nicht. …”
Wegen des übrigen Inhalts der Betriebsvereinbarungen wird auf Blatt 20 ff. der Akten (Betriebsvereinbarung vom 18.09.1991) und auf Blatt 23 d. Akten (Betriebsvereinbarung vom 01.02.1985) Bezug genommen.
Der Kläger, der durch Eigenkündigung vom 15.02.1993 zum 31.03.1993 ausgeschieden ist und dem die Beklagte die Auszahlung der Tantieme für das Jahr 1992 verweigert, ist unter Bezugnahme auf eine Entscheidung der 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln vom 09.02.1993 – 9 Sa 1050/92 – (Blatt 29 ff. d. A.) und entgegen einer Entscheidung der 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln – 13 Sa 267/93 – die Auffassung, daß aus der Präsens – Form des Wortes „beteiligt” nicht folge, daß zum Zeitpunkt der Auszahlung ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis bestehen müsse. Vielmehr komme es auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Anspruches an. Dieses gelte um so mehr, als die Tantieme – auch – leistungsorientiert sei. Allein die Beklagte habe es in der Hand, daß sich die tatsächliche Auszahlung verzögere. Die Beklagte beruft sich demgegenüber auf die Entscheidung der 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln und weist darauf hin, daß neben der Leistungsorientierung der Tantieme diese auch den Zweck des Anreizes für künftige Betriebstreue verfolge. Lediglich 1/5 der Tantiemezahlung werde leistungsbezogen ermittelt.
Den Abfindungsanspruch leitete der Kläger aus einem am 01.04.1993 abgeschlossenen Sozialplan zum Ausgleich und zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, die im Zusammenhang mit der Betriebsverlagerung von Köln nach Münster für die in Köln beschäftigten Mitarbeiter entstehen, ab. Der Sozialplan lautet auszugsweise:
§ 1
„Die nachfolgenden Bestimmungen gelten für alle beim … Köln beschäftigten Mitarbeiter/innen, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Sozialplans von der Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG betroffen sind.
Soweit die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der in der Präambel genannten Betriebsänderung erfolgt, ist der Sozialplan unabhängig davon anzuwenden, ob das Arbeitsverhältnis vom Unternehmen oder dem Arbeitnehmer gekündigt wird oder ob es im gegenseitigen Einver...