Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch einer Theaterschauspielerin auf Vergütung für wegen eines Brands im Theater ausgefallene Aufführungen. Beschäftigung von Theaterschauspielern im Rechtskonstrukt eines Gastvertragsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gastverträge bei einem Theater sind regelmäßig nicht als Arbeitsverträge zu qualifizieren. Dem steht nicht entgegen, dass die Probezeiten und die Aufführungstermine vorgegeben werden.

2. Ist eine Schauspielerin mit Gastvertrag nicht als Arbeitnehmerin anzusehen, kann sie bei einem Ausfall der vorgesehenen Vorstellungen keine Zahlung verlangen, wenn die Vorstellungen wegen eines Theaterbrands ausfallen. Für beide Seiten sind die Hauptpflichten wegen Unmöglichkeit entfallen (§§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es liegt kein Fall des Annahmeverzugs vor, weil § 615 Satz 3 BGB nur auf Arbeitsverträge und nicht auf reine Dienstverträge anwendbar ist.

 

Normenkette

ArbGG § 110; BGB §§ 275, 305 ff., §§ 326, 611, 611a, 615, 326 Abs. 1, § 305

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 23.05.2023; Aktenzeichen 9 Ha 7/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24.05.2023 - 9 Ha 7/22 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte betreibt ein Theater. Die Klägerin ist Sängerin und Schauspielerin. Sie macht Vergütung für wegen eines Brands ausgefallene Aufführungen geltend.

Die Parteien verständigten sich am 07.02.2020 auf einen sog. Gastvertrag mit einer Laufzeit vom 29. Juni 2020 bis zum 31.07.2021. Danach sollte die Klägerin die Rolle der "S M" in der Inszenierung "S" übernehmen. Als Aufführungsort war das "G H" der Beklagten in E vorgesehen.

Die Beklagte übermittelte dem Agenten der Klägerin noch vor Abschluss des Gastvertrags (Bl. 46 d.A.) eine E-Mail, in der sie das Ergebnis der Vertragsverhandlungen wie folgt zusammenfasst:

"Lieber Herr S

sorry, für die verspätete Antwort.

Hiermit bestätigte ich Ihnen die u. g. Verhandlungsergebnisse.Die Abrechnungsart der Vorstellungen ist nach dem SV-/Steuer-Recht als abhängige Beschäftigung zu berechnen. [...]"

Der Gastvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1

Mitwirkung

Der Gast verpflichtet sich, in der Zeit vom 29.06.2020 bis 31.07.2021

in der Inszenierung "S"

die Rolle "S M"

als Musicaldarstellerin zu übernehmen.

2. Das Werk wird in der Zeit zwischen dem 17.10.2020 und dem 31.07.2021 voraussichtlich 15mal aufgeführt.

3. Die Proben beginnen für den Gast voraussichtlich vom 29.06.2020 bis 18.07.2020 und vom 28.09.2020 bis 17.10.2020. Der genaue Probenbeginn wird dem Gast spätestens 4 Woche(n) vor dem in Aussicht genommenen Termin bekannt gegeben.

a. Dem Gast werden drei Sperrtermine in der Probenzeit nach Genehmigung der Bühne gewährt. Weitere probenfreie Tage für Castings oder Drehs werden von der Bühne, wenn keine zwingende Produktionsgründe dagegen stehen, im Rahmen des Möglichen gewährt werden.

4. Die Premiere ist für den 17.10.2020 um 19:30 Uhr vorgesehen. Die Bühne kann den Premierentermin bis zu 7 Tage / Wochen verschieben. Verschiebt sich dadurch auch der Probenbeginn, informiert die Bühne den Gast so frühzeitig wie möglich.

5. Vorstellungstermine:

Sa. 17.10.20 um 19:30 Uhr So. 18.10.20 um 15:00 Uhr

So. 25.10.20 um 19:30 Uhr

So. 15.11.20 um 19:30 Uhr Sa. 19.12.20 um19:30Uhr Mi 30.12.20 um 19:30 Uhr

Do 31.12.20 um 17:00 Uhr So 31.01.21 um 19:30 Uhr Fr. 05.02.21 um 19:30 Uhr Sa. 27.02.21um 19:30 Uhr So 21.03.21 um 15:00 Uhr Sa 10.04.21 um 19:30 Uhr So 25.04.21 um 15:00 Uhr Do 27.05.21 um 19:30 Uhr

So 20.06.21 um 19:30 Uhr

Im Falle der Verlegung von Vorstellungen gilt Nr. 6 entsprechend.

6. Weitere Termine können mit dem Gast schriftlich vereinbart werden.

7. In den Zeiträumen zwischen den in diesem Gastvertrag genannten Vorstellungsterminen bestehen keine Verpflichtungen des Gastes gegenüber der Bühne. der Probenzeit nach Genehmigung der Bühne gewährt. Weitere probenfreie Tage für Castings oder Drehs werden von der Bühne, wenn keine zwingende Produktionsgründe dagegen stehen, im Rahmen des Möglichen gewährt werden.

§ 2

Leistungspflichten des Gastes

1. Die Mitwirkungspflicht des Gastes erstreckt sich über § 1 Nr. 5 und 6 hinaus auch auf Aufführungen des in § 1 genannten Werks durch die Bühne an anderen Spielorten im In-und Ausland sowie auf die Mitwirkung bei der Übertragung der Darbietung durch Funk (insbesondere Hörfunk und Fernsehen), bei der öffentlichen Zugänglichmachung und bei der Aufzeichnung auf Ton- und / oder Bildträger sowie Bildtonträger.

Der Gast muss mitwirken, wenn die Aufführung durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen außerhalb des Raumes, in dem sie stattfindet, wahrnehmbar gemacht wird.

[...]

§ 3 Vergütung

1. Der Gast erhält eine Vergütung in Höhe von

a) für die Probenzeit 3.500,00 € als Probenpauschale

b) je Aufführung € 650,-

c) einer 1/2 Vorstellungsgage je Umsetzungs- / Wiederaufnahmeprobe nach der Premiere.

Dem Gast werden mindestens 15 Vorstellungen garantiert.

...

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