Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit des Arbeitsgerichts bei Streit über Corona-Prämie für Pflegepersonal (fraglicher Bundes- und Landesanteil)

 

Leitsatz (amtlich)

Für Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern im Anwendungsbereich des § 150a Abs. 1 Satz 1 SGB XI über die Höhe der zu zahlenden Corona-Prämie für Pflegepersonal ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG eröffnet.

 

Normenkette

SGB XI § 150a; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a; SGG § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2; VwGO § 40; GVG § 17a Abs. 4 S. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Rostock (Entscheidung vom 23.04.2021; Aktenzeichen 4 Ca 1316/20)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 01.03.2022; Aktenzeichen 9 AZB 25/21)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des beklagten Vereins gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Rostock vom 23.04.2021 - 4 Ca 1316/20 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten in der Hauptsache um die zutreffende Höhe der dem Kläger durch den beklagten Verein auszuzahlenden sogenannten "Corona-Prämie für Pflegepersonal" und in diesem Zusammenhang vorab über die Rechtswegzuständigkeit zu den Gerichten für Arbeitssachen.

Der Kläger ist bei dem beklagten Verein auf arbeitsvertraglicher Grundlage seit 2010 gemäß § 1 des Arbeitsvertrages als "Pflege-Fachkraft mit 90% der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters" beschäftigt

Im Juli 2020 hat der beklagte Verein an den Kläger eine Corona-Prämie in Höhe von 504 Euro (Bundesanteil) und weiteren 252 Euro (Landesanteil) ausgezahlt. Im Dezember 2020 hat der beklagte Verein im Zuge einer Nachberechnung an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 67,50 Euro (Bundes- und Landesanteil) als Corona-Prämie ausgezahlt.

Der beklagte Verein ist der Auffassung, dem Kläger stünde nur der anteilige Betrag der Corona-Prämie zu, da er nur teilweise Arbeitsleistungen im Sinne des SGB XI und im Übrigen solche im Sinne des SGB IX und diesbezüglich nicht prämienfähig erbringen würde.

Der Kläger ist der Ansicht, er sei als Pflege-Fachkraft eingestellt und erbringe entsprechende Arbeitsleistungen, so dass ihm der volle Prämienbetrag in Höhe von 1500 Euro (1000 Euro Bundesanteil und 500 Euro Landesanteil) zustehe. Sollte der beklagte Verein den Kläger prämienmindernd mit Aufgaben außerhalb des Tätigkeitsbildes einer Pflege-fachkraft beschäftigt haben, so resultiere der von ihm geltend gemachte Anspruch aus einem Organisationsverschulden des beklagten Vereins.

Auf entsprechende Rüge des beklagten Vereins hat das Arbeitsgericht im Rahmen eines Vorabverfahrens mit Beschluss vom 23.04.2021 entschieden, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist. Eine Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51 Abs. 2 SGG sei nicht gegeben. Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch nach § 150a SGB XI sei am Bestand eines Arbeitsverhältnisses gekoppelt. Gemäß § 150a Abs. 1 SGB XI sei der Arbeitgeber ausdrücklich als Zahlungsverpflichteter normiert und nach Maßgabe des § 150a Abs. 4 - 6 SGB XI grundsätzlich auch an die tatsächliche Ausübung einer pflegerischen Tätigkeit in einer Pflegeeinrichtung gebunden.

Gegen diese am 27.04.2021 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 10.05.2021 bei dem Arbeitsgericht eingegangene sofortige Beschwerde des beklagten Vereins. Der beklagte Verein ist der Ansicht, bei dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der sozialen Pflegeversicherung für die die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig seien.

Mit Beschluss vom 19.05.2021 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde des beklagten Vereins nicht abgeholfen und das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur weiteren Entscheidung vorgelegt.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde des beklagten Vereins ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen, über den gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 GVG vorab zu entscheiden ist, ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG für den vom Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch gegen den beklagten Verein eröffnet. Nach der benannten gesetzlichen Vorgabe sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Dies gilt sowohl für den Bundesanteil der Corona-Prämie für Pflegepersonal, als auch für den Landesanteil M-V. Es ergibt sich vorliegend keine sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß § 40 VwGO. Ebenso ist eine sachliche Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 bzw. § 51 Abs. 2 SGG im Fall - wie hier - der originären Inanspruchnahme eines Arbeitgebers durch einen Arbeitnehmer aus § 150a Abs. 1 SGB XI nicht gegeben (a). Vielmehr handelt es sich vorliegend um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer un...

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