Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Wählbarkeit Gekündiger Arbeitnehmer
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Frage der Wählbarkeit gekündigter Arbeitnehmer liegt eine planwidrige Regelungslücke im BetrVG vor. Im Gegensatz zur Wahlberechtigung, für die am Wahltag feststehen muss, ob der gekündigte Arbeitnehmer wahlberechtigt ist, ist es für die Frage der Wählbarkeit weit weniger bedeutsam, ob das Arbeitsverhältnis des gekündigten Arbeitnehmers durch die ausgesprochene Kündigung beendet worden ist. Bis deren Unwirksamkeit feststeht, wird er von einem Ersatzmitglied vertreten. Gekündigte Arbeitnehmer sind daher während des Kündigungsschutzverfahrens wählbar, sowohl in den Fällen der ordentlichen wie der außerordentlichen Kündigung.
Normenkette
BetrVG § 8 Abs. 1, §§ 7, 19 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Beschluss vom 09.05.2003; Aktenzeichen 66 BV 8/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Schwerin vom 9. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Zur Darstellung des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten wird zunächst auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss vom 9. Mai 2003 (unter I., Bl. 65–65 d.A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht Schwerin hat in seinem am 9. Mai 2003 verkündeten Beschluss den Antrag zurückgewiesen, da es keinen Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren hat feststellen können. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die drei gekündigten Arbeitnehmer A., K. und W. auch nach Ablauf ihrer Kündigungsfrist für den Betriebsrat wählbar gewesen seien, da sie gegen die ausgesprochene Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben hätten. Zur weiteren Begründung wird auf Bl. 68–70 d.A. verwiesen.
Gegen diesen ihr am 23. Mai 2003 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin bereits am 27. Mai 2003 Beschwerde eingelegt (Bl. 81 f. d.A.) und diese mit einem am 1. Juli 2003 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz (Bl. 103–105 d.A.) näher begründet. Sie hält die Betriebsratswahl nach wie vor für unwirksam, da die drei gekündigten Arbeitnehmer nicht wählbar gewesen seien. Das Arbeitsgericht habe sich ohne die gebotene Auseinandersetzung mit der in der Literatur vertretenen Gegenauffassung dem Ergebnis der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Mai 1997 angeschlossen. Die dort vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Rechtsfortbildung sei unzulässig, da es an einer planwidrigen Regelungsiücke bezüglich des § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG fehle.
Die Antragstellerin beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Schwerin vom 9. Mai 2003, AZ: 66 BV 8/03, die Betriebsratswahl vom 14. April 2003 für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss des Arbeitsgerichts Schwerin.
Während des Beschwerdeverfahrens sind die Kündigungsschutzverfahren der Arbeitnehmer A. und W. durch einen Abfindungsvergleich beendet worden (Bl. 120 ff. d.A.). Noch nicht beendet war hingegen im Zeitpunkt der Anhörung vor der Kammer das Kündigungsschutzverfahren des Arbeitnehmers K..
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht Schwerin hat in der angefochtenen Entscheidung den Antrag zu Recht abgewiesen, da ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren (§ 19 Abs. 1 BetrVG) nicht festgestellt werden kann.
1.
Die Antragstellerin ist nach § 19 Abs. 2 BetrVG antragsbefugt. Die Anfechtung ist auch fristgemäß erfolgt. Das Wahlergebnis für den Betrieb in W. ist am 14. April 2003 durch den Wahlvorstand bekanntgemacht worden. Die Antragsschrift vom 15. April 2003 ist bereits am 17. April 2003 und damit innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist beim zuständigen Arbeitsgericht in Schwerin eingegangen. In der Antragsschrift wird auch der streitgegenständliche Verstoß gegen die Wählbarkeitsvorschriften ausdrücklich gerügt.
2.
Beteiligte des Anfechtungsverfahrens sind vorliegend lediglich die Arbeitgeberin und der bei ihr gebildete Betriebsrat. Eine Beteiligung der drei gekündigten Arbeitnehmer kam vorliegend nicht in Betracht, da die gesamte Wahl des Betriebsrats und nicht nur die einzelnen Betriebsratsmitglieder angefochten worden ist.
3.
Für den Antrag hat zum Zeitpunkt der Anhörung vor der Kammer des Beschwerdegerichts auch noch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis bestanden. Zwar sind bis zum 18. November 2003 die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer Albrecht und Wiek durch einen Vergleich in den anhängigen Kündigungsschutzverfahren beendet worden. Dies hat zur Folge, dass die in den Betriebsrat gewählte Arbeitnehmerin W. ihr Betriebsratsmandat mit Wirksamwerden des gerichtlichen Vergleiche...