Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung eines Zeitungsredakteurs. Tendenzmaßnahme. Transparenzgebot von Versetzungsklausel
Orientierungssatz
1. Bei der Versetzung eines Redakteurs von der Mantelredaktion in eine Lokalredaktion wegen der beabsichtigten Stärkung der wirtschaftlichen Berichterstattung handelt es sich um eine Tendenzmaßnahme im Sinne des § 118 BetrVG.
2. In der Versetzungsklausel, wonach sich der Arbeitgeber die Zuweisung eines anderen Arbeitsgebietes vorbehält, scheitert nicht am Tranzparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
Normenkette
BetrVG § 118 Abs. 1; BGB § 307 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Versetzung der Klägerin in die Lokalredaktion Waren.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 1971 als Redakteurin beschäftigt. In einem 1993 geschlossenen Arbeitsvertrag heißt es unter § 4:
„Frau D. wird als Redakteur (verantwortlich für Wort und Bild) in der Hauptredaktion, Ressort Sonderaufgaben beschäftigt. Der Verlag behält sich unter Wahrung der Interessen des Redakteurs die Zuweisung eines anderen Arbeitsgebietes vor.”
Mit Schreiben vom 19.8.2004 versetzte die Beklagte die Klägerin mit Wirkung ab 1.9.2004 als Redakteurin in die Lokalredaktion der M.-Zeitung nach W./M.. Im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 1.2.2005 – 3 Ca 1541/04 – Bezug genommen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung und Verurteilung der Beklagten zur Beschäftigung der Klägerin als Redakteurin in der Mantelredaktion in N. hat das Arbeitsgericht Neubrandenburg durch die vorgenannte Entscheidung abgewiesen.
Dieses Urteil ist der Klägerin am 14.2.2005 zugestellt worden. Sie hat dagegen Berufung eingelegt, die am 14.3.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 22.4.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist am 22.4.2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Klägerin hat durch eidesstattliche Versicherung der Bürovorsteherin ihres Rechtsanwalts glaubhaft gemacht, dass diese versehentlich die auf Donnerstag, 14.4.2005, einzutragende Notfrist für die Berufungsbegründung auf Donnerstag, 21.4.2005, in das Fristenbuch eingetragen und die Akte ihrem Anwalt erst an diesem Tage vorgelegt habe. Eine Information des Anwalts am 14.4.2005 sei unterblieben.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Zuweisungsvorbehalt in § 4 des Anstellungsvertrages rechtfertige nicht eine Versetzung.
Auch verstieße die Zuweisungsklausel gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Das Transparenzgebot sei nicht beachtet worden. Es bleibe dunkel, welche Gründe für eine Versetzung in Betracht kommen. Im Übrigen sei gegen § 315 BGB verstoßen worden, da andere geeignete Arbeitnehmer vorhanden seien, die von der Tätigkeitsveränderung unter Umständen weniger schwer betroffen wären. Auch hätte die Beklagte den Widerspruch des Betriebsrates gegen die Versetzung nicht unbeachtet lassen dürfen. Es habe sich nicht um eine tendenzbedingte Entscheidung gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
- der Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren;
- unter Abänderung des am 1.2.2005 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Neubrandenburg – 3 Ca 1541/04 – festzustellen, dass die Versetzung der Klägerin durch die Beklagte mit Schreiben vom 19.8.2004, der Klägerin am 20.8.2004 zugegangen, als Redakteurin vom Ressort Nachrichten der Mantelredaktion im Hauptgebäude der Beklagten in N. zur Lokalredaktion in W. unwirksam ist;
- die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Redakteurin im Ressort Nachrichten der Mantelredaktion im Hauptgebäude der Beklagten in N. zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte tritt der angefochtenen Entscheidung bei.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig. Der Klägerin war auf ihren Antrag hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zu gewähren, da das Verschulden der Bürovorsteherin ihres Rechtsanwalts ihr nicht zuzurechnen ist (vgl. Baumbach/Hartmann, ZPO, 63. Auflage, § 233 Rn. 105 m.w.N.).
Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen.
Zu den Angriffen der Berufung gilt Folgendes:
1.
Die angegriffene Maßnahme scheitert nicht daran, dass sich die Beklagte in dem Arbeitsvertrag lediglich die „Zuweisung eines anderen Arbeitsgebiets” und nicht eine Versetzung vorbehalten hat. Eine Versetzung ist nach der Legaldefinition des § 95 Abs. 3 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeit...