Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Pflicht zur Abgabe der Drittschuldnererklärung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Auskunftspflicht nach § 840 Abs. 1 ZPO hängt nicht davon ab, ob dem Hauptschuldner die gepfändeten Forderungen tatsächlich zustehen. Die Auskunftspflicht besteht auch dann, wenn die Pfändung ins Leere geht.

2. Die Zustellungsurkunde begründet vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen; der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig (§ 418 Abs. 1 und 2 ZPO). Für den Beweis der Unrichtigkeit genügt es nicht, wenn der Adressat der Zustellung schlicht behauptet, das Schriftstück nicht erhalten zu haben. Für den Gegenbeweis ist es vielmehr erforderlich, einen anderen als den beurkundeten Geschehensablauf zu beweisen und somit ein Fehlverhalten des Zustellers und eine objektive Falschbeurkundung zu belegen. Notwendig ist der volle Beweis in der Weise, dass die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr niedergelegten Tatsachen ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 829, 840, 178 Abs. 1 Nr. 2, § 182 Abs. 1, § 418

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 03.05.2016; Aktenzeichen 1 Ca 25/15)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 03.05.2016 - 1 Ca 25/15 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche wegen verspäteter Abgabe der Drittschuldnererklärung.

Die Klägerin erwirkte am 18.11.2008 beim Amtsgericht Bremen (Aktenzeichen: 08-4480951-0-8) einen Vollstreckungsbescheid über eine Hauptforderung von € 31.491,68 zuzüglich Nebenforderungen und Zinsen gegen Herrn A. S. auf Rückzahlung eines Darlehens.

Auf der Grundlage dieses Vollstreckungsbescheides erließ das Amtsgericht Düsseldorf (Aktenzeichen: 668 M 922/14) am 11.09.2014 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen Herrn S. wegen einer noch ausstehenden Restforderung von insgesamt € 25.166,01, mit dem dessen angebliche Forderungen gegenüber der Beklagten auf gegenwärtiges und künftiges Arbeitseinkommen gepfändet wurden. Die Beklagte betreibt in C-Stadt ein Restaurant unter dem Namen T.. Auf ihrer Homepage befand sich seinerzeit auf der Seite "Impressum" der folgende Eintrag:

"Veranstaltungen / Küche / Menü:

A. S."

Auf derselben Seite waren des Weiteren die für "Personalwesen" und "Patisserie / Eis" zuständigen Mitarbeiterinnen angegeben sowie rechts daneben Firma, Adresse, Telefon, Fax, Handelsregistereintrag und Geschäftsführer der Beklagten.

Den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss übergab der Gerichtsvollzieher ausweislich der Zustellungsurkunde am 14.10.2014 um 11:45 Uhr im Geschäftslokal der Beklagten, da er den Geschäftsführer nicht persönlich angetroffen hatte, dem dort beim Adressaten beschäftigten Herrn W.. Die Zustellungsurkunde enthält die Aufforderung an die Beklagte, der Klägerin zu erklären, 1. ob und inwieweit die Drittschuldnerin die Forderung als begründet anerkennt und Zahlung zu leisten bereit sei, 2. ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung machen und 3. ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 11.11.2014 nochmals auf, die Fragen gemäß § 840 Abs. 1 Nr. 1 - 3 ZPO binnen 14 Tagen zu beantworten. Mit Schreiben vom 18.12.2014 erinnerte sie die Beklagte erneut an die Drittschuldnerauskunft und setzte ihr eine Frist bis zum 15.01.2015.

Da die Beklagte hierauf nicht reagierte, hat die Klägerin unter dem 05.02.2015 Zahlungsklage erhoben und zugleich Herrn S. den Streit verkündet. Mit Schriftsatz vom 04.03.2015 hat die Beklagte erklärt, Herrn S. weder zu beschäftigen noch zu entlohnen. Zwischenzeitlich löschte sie die namentliche Nennung des Streitverkündeten auf ihrer Homepage. Die Klägerin hat daraufhin ihren Klageantrag mit Schriftsatz vom 30.03.2015 umgestellt auf Zahlung der im Prozess entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.738,45.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse die nutzlos aufgewandten Prozesskosten erstatten, da sie ihrer Auskunftspflicht nicht nachgekommen sei. Die Klage hätte sich erübrigt, wenn die Beklagte die Auskunft rechtzeitig erteilt hätte. Die Klägerin habe aufgrund des Hinweises im Impressum davon ausgehen dürfen, dass Herr S. bei der Beklagten arbeite. Die Beklagte habe dadurch zumindest den Anschein eines Beschäftigungsverhältnisses erweckt. Wenn dieser Anschein aber nicht richtig sei, so sei die Beklagte verpflichtet gewesen, genau das mitzuteilen. Diese Auskunft hätte sie ohne weiteres früher erteilen können, ohne dass das mit Aufwand oder Kosten verbunden gewesen wäre.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei der Beklagten nebst der Aufforderung zur Abgabe der Erklärung nach § 840 ZPO ordnungsgemäß zugestellt worden. Die Zustellung habe ein Mitarbeiter im Machtbereich der Beklagten entgegengenommen. Ob der Geschäftsführer der Beklagten d...

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