Entscheidungsstichwort (Thema)
Überstundenvergütung eines Kraftfahrers. Zahlungsklage des mehrarbeitenden Arbeitnehmers bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin im Rahmen abgestufter Darlegungs- und Beweislast
Leitsatz (amtlich)
1. Behauptet ein Kraftfahrer die Ableistung von Überstunden, indem er für jeden Tag eine vom Arbeitgeber zugewiesene Tour benennt und auch konkret vorträgt, wann jeweils die Tour begann und wann sie endete, wobei diese Zeiten unstreitig der Fahrerkarte entnommen sind, er zudem mit nachvollziehbaren Gründen darstellt, dass Pausen nicht möglich waren, so muss nun der Arbeitgeber im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast unter Auswertung der pflichtgemäß nach § 21 a Abs. 7 Satz 1 ArbZG aufgezeichneten Daten hierauf substantiiert erwidern und konkret darlegen, an welchen Tagen der Arbeitnehmer aus welchen Gründen in geringerem Umfang als behauptet gearbeitet haben muss (im Anschluss an BAG, 16.05.2012, 5 AZR 347/11).
2. In vorgenannter Konstellation ist es nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber pauschal behauptet, dass die vom Kläger benannten Zeiten nicht stimmen könnten. Nicht ausreichend ist es ebenfalls, wenn der Arbeitgeber sodann ohne nachvollziehbare Begründung schlicht Zeiten ins Blaue benennt, die aus seiner Sicht anzuerkennen seien. Selbiges gilt, wenn die vom Arbeitgeber sodann behaupteten Zeiten das Ergebnis einer behaupteten und inhaltlich nicht offen gelegten Durchschnittbetrachtung seien und er meint, dass Zeiten über dem Durchschnitt nicht anzuerkennen seien. Eine Durchschnittsbetrachtung ist schon deshalb ungeeignet, weil sich ein Durchschnitt mathematisch dadurch ergibt, dass eine Vielzahl von durchgeführten Fahrten oder aber Arbeitnehmern zwangsläufig langsamer als der Durchschnitt sind.
Normenkette
BGB § 612; ArbZG § 21 Abs. 7, § 21a Abs. 7 S. 1; ZPO § 138 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 03.06.2014; Aktenzeichen 2 Ca 140/12) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 03.06.2014, Aktenzeichen 2 Ca 140/12, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Vergütung für Überstunden.
Der Kläger war vom 01.03.2011 bis zum 07.07.2011 bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Die Parteien vereinbarten eine monatliche Vergütung in Höhe von 1.300,00 Euro brutto bei einer Arbeitszeit von 45 Stunden pro Woche bezogen auf eine 6-Tage-Woche.
Der Kläger war bei der Beklagten im Bereich der sogenannten MGL-Touren eingesetzt. Bei diesen MGL-Touren begann der Kläger seine Fahrt in D-Stadt und fuhr zunächst nach B.. Hier musste sodann Leergut abgeladen und neues Gut aufgeladen werden. Danach fuhr der Kläger Ziele in N., D-Stadt und B-Stadt sowie optional an einigen Tagen auch anschließend in B. an, um dort jeweilige Güter ein- und auszuladen. Anschließend kehrte der Kläger jeweils wieder nach D-Stadt zurück. Zuletzt unstreitig gehörte das Be- und Entladen zu den Aufgaben des Klägers. Unstreitig sind die Be- und Entladezeiten des Kläger in B., N., D-Stadt, B-Stadt und gegebenenfalls B. nicht auf der Fahrerkarte als Arbeitszeit vermerkt, da die Fahrerkarte in solchen Fällen des Stillstandes auf Pause gestellt war. Streitig ist zwischen den Parteien, ob dies von der Beklagten angeordnet worden war. Diese MGL-Touren wurden im wöchentlichen Wechsel in der Tagschicht oder aber in der Nachtschicht gefahren. Der Beginn der Tagesschicht lag in der Regel zwischen 07:00 Uhr und 10:00 Uhr. Die Nachtschicht begann in der Regel zwischen 17:00 Uhr und 21:00 Uhr. Der Kläger erhielt von der Beklagten bisher nur Vergütung für die vertraglich vereinbarte Normalarbeitszeit.
Mit seiner Klageschrift vom 17.04.2012, eingegangen beim Arbeitsgericht Stralsund am selbigen Tage, begehrt der Kläger die Bezahlung von Überstunden für die Monate März, April, Mai und Juni 2011.
Das Arbeitsgericht Stralsund gab der Klage mit Urteil vom 3. Juni 2014 vollständig statt. Es begründete sein Urteil im Kern damit, dass der Kläger hinreichend substantiiert zu den jeweils geleisteten Arbeitszeiten und damit auch angefallenen Überstunden vorgetragen habe, während sich die Beklagte auf pauschales Bestreiten dieser Zeiten zurückgezogen habe. Zudem seien die Überstunden durch die Beklagte auch geduldet worden. Wegen des Urteils wird auf Blatt 151 bis 157 der Akte verwiesen. Dieses arbeitsgerichtliche Urteil ist der Beklagten am 18. Juli 2014 zugestellt worden.
Die Beklagte legte hiergegen am 8. August 2014 Berufung ein. Am 17. September 2014 begründete die Beklagte die Berufung.
Die Beklagte begehrt weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Die Beklagte bestreitet die Behauptung, die Anweisung gegeben zu haben, während des Be- und Entladens die Fahrerkarte auf Pause zu stellen. Zudem bestreitet die Beklagte die zunächst generelle Behauptung des Klägers, dass die tägliche Arbeitszeit zwischen 12 bis 14 Stunden gelegen habe. Bezogen auf ein vom Kläger zunächst exemplarisch...