Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Urteil vom 23.10.1996; Aktenzeichen 4 Ca 433/96) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom23.10.1996 (4 Ca 433/96) wird wie die Anschlußberufung des beklagten Landes gegen dieses Urteil zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsrechtszuges hat die Klägerin zu 2/3, das beklagte Land zu 1/3 zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Auch im Berufungsrechtszug streiten die Parteien um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, die das beklagte Land wegen der früheren Tätigkeit der Klägerin für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR ausgesprochen hat.
Die am 29. März 1941 geborene Klägerin erlernte bis 1964 den Beruf einer Röntgenassistentin (medizinisch-technische Assistentin). Als solche arbeitete sie in der Orthopädischen Klinik …, später war sie Verkäuferin im (privaten) Möbelhandelsgeschäft ihres Ehemannes.
Ab dem 2.12.1985 nahm die Klägerin ihre Berufstätigkeit als Röntgenassistenin an der … in Greifswald wieder auf.
Mit dem 3.10.1990 wurde sie vom beklagten Land übernommen und arbeitete zuletzt gemäß den Bedingungen des Änderungsvertrages vom 25.9.1992 (Blatt 15 d.A.) als Röntgenassistentin zu einem monatlichen Bruttoentgelt von ca. DM 3.500,00. Die Klägerin ist verwitwet und hat ein 1963 geborenes Kind.
Gemäß den die Klägerin betreffenden Akten des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, die beigezogen und von den Parteien eingesehen wurden und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren (im folgenden: BStU I – Personalakte und BStU II – Arbeitsakte) begann sich das MfS auf Hinweis eines anderen informellen Mitarbeiters („Gl Fredi”) im Mai 1966 für die Klägerin (damals noch unter ihrem Mädchennamen W.) zu interessieren.
Am 25.5.1966 und am 10.6.1966 kam es zu ersten Kontaktgesprächen, bei denen das MfS der Klägerin – wahrheitswidrig – die Legende auftischte, sie habe von einem (verhafteten) westdeutschen Agenten des Verfassungsschutzes angeworben werden sollen, da sie sich Männern gegenüber „leicht zugänglich” zeige und bei Eingehung eines intimen Verhältnisses über dieses erpreßbar sei. Nach Einschätzung des MfS erwies sich die Klägerin in diesen Gesprächen als hinreichend loyal zur Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR, wenn auch nicht „ganz frei von westlichen Einflüssen” (so äußerte die Klägerin Interesse an Reisefreiheit und Kritik an den Konsummöglichkeiten der damaligen DDR).
Im Werbungsgespräch vom 16.6.1966 (BStU I – Blatt 24) zeigte sich die Klägerin skeptisch gegenüber der MfS-Behauptung, Objekt eines gegnerischen Geheimdienstes gewesen zu sein, äußerte aber ihre Bereitschaft, mit dem MfS inoffiziell zusammenzuarbeiten und rückte davon auch nicht ab, als ihr die Kontaktoffiziere der Staatssicherheit klarmachten, daß ihre Mitarbeit auch in der gezielten Kontaktaufnahme zu männlichen Personen und deren nachfolgender Ausforschung bestehen könnte.
Die Klägerin schrieb schließlich am 16.6.1966 eigenhändig eine Verpflichtungserklärung als IM mit dem Decknamen „Meier” (BStU I – Blatt 27). Danach nahm die Klägerin ihre Berichtstätigkeit für das MfS auf. Sie erhielt dafür mehrfach materielle Zuwendungen (Geld, Veranstaltungskarten) und zuletzt (am 28.3.1974) ein Geburtstagsgeschenk (Bildband im Wert von 20,00 Mark) (BStU I – Blatt 58 bis 64). Mehrere „Ehrlichkeitsüberprüfungen” vertiefen für die Klägerin unauffällig.
Im ersten Vierteljahr ihrer Tätigkeit als IM berichtete die Klägerin dem MfS über Veranstaltungen, an denen sie teilgenommen hatte (Ostseewoche, Medizinerball der Universität).
Ab Oktober 1966 begann die Klägerin unter anderem auch über das Sexualleben ihr bekannter Männer zu berichten (Dr. …, Angehöriger der NVA-See, Bericht vom 11.10.1966, BStU II – Blatt 10; Genösse Dr. … mit dem die Klägerin intim war, Bericht vom 11.10.1966, BStU II – Blatt 11; Student …, Bericht vom 3.2.1967, BStU II – Blatt 23).
Am 4.3.1967 ließ sich die Klägerin in Ahlbeck mit einem auszuforschenden Unteroffizier der NVA zusammenbringen, erschlich sich mit einer vom MfS vorbereiteten Legende sein Vertrauen, entlockte ihm Republikflucht-Absichten und setzte sich sodann – abgesprochen – von der Veranstaltung ab, um den Führungsoffizieren umgehend das soeben Erfahrene zu berichten. Wegen der Einzelheiten dieses Vorganges wird auf die BStU-Akten (II – Blatt 25 bis 36) Bezug genommen. Die Klägerin erhielt hierfür Spesenersatz und eine Belohnung von 80,00 Mark.
In der Folgezeit berichtete die Klägerin allgemein über die Stimmung zur Versorgungslage oder zu offiziellen politischen Kampagnen. Ab Dezember 1967 häuften sich wieder Berichte mit Angaben über sexuelle Beziehungen einzelner DDR-Bürger (Klinikchef, Oberschwester, geflüchtete Fachärztin, 5.12.1967, BStU II – Blatt 45; private Geschäftsfrau, 13.2.1968, BStU II – Blatt 47; Drogeriebesitzerin, 13.3.1968, BStU II – Blatt 49).
Am 2.4.1968 berichtete die Klägerin von einem Offiziersschüler, zu dem sie ein in...